Historie

85 Jahre WGP

Im März 1937 wurde die Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) zunächst als Hochschulgruppe  Betriebswissenschaft (HGB), später Hochschulgruppe Fertigungstechnik (HGF) in den Räumen des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinen auf der Leipziger Messe gegründet.

„Wir ahnten nicht, was kommen würde, aber wir alle waren gegenseitig aufgeschlossener geworden und waren gewillt, uns unsere Institute gegenseitig zu öffnen und in aller Öffentlichkeit über laufende und geplante Arbeiten zu sprechen.“  [1]

Diesen Satz zur Gründung der WGP formulierte rückblickend einer der Gründungsväter. Ausgesprochen in kritischer Zeit, hat er über die wechselvollen Phasen der WGP-Geschichte bis heute gehalten und auch die tragende Idee einer engen Verbindung zwischen Wissenschaft und Industrie befördert.

WGP-Professoren legten von Anfang an großen Wert auf Austausch

Quelle: WZL, RWTH Aachen

Basis für „deutsche Wertarbeit“ geschaffen

Wenn auch die Forschungsarbeiten durch den heraufziehenden Krieg beeinflusst wurden, wies doch mancher grundlegende Gedanke bereits auf zukünftige Entwicklungen hin. So waren hohe Mengenleistungen und eine weitgehende Rationalisierung  wichtige Ziele, die es wissenschaftlich zu stützen galt. Die bis zur Jahrhundertwende übliche bloße Beschreibung der Fertigungsprozesse reichte nicht mehr aus, es mussten ihre physikalischen und technologischen Grundlagen, das Zusammenwirken von Werkzeug, Werkstoff und Maschine erforscht werden. Der Austauschbau wurde als wichtiges Mittel der Rationalisierung erkannt und durch Arbeiten zur Fertigungsmesstechnik und zur Normung befördert. Auf dem Gebiet der Werkzeugmaschinen hatte der renommierte Produktionstechniker Georg Schlesinger bereits 1927 die Arbeitsgenauigkeit der Maschinen als entscheidend erkannt, in seinem „Prüfbuch der Werkzeugmaschinen“ definiert und damit einen wohl entscheidenden Beitrag zur Qualität und Akzeptanz deutscher Werkzeugmaschinen im Markt geleistet. In der Hochschulgruppe schlossen sich folgerichtig Forschungsarbeiten über das dynamische und thermische Verhalten von Werkzeugmaschinen an. Qualitätsforderungen und der kriegsbedingte Mangel an Fachkräften lenkten den Blick auf Innovationen zur Automatisierung.

Frühe Forschung zur Automatisierung

In den ersten Nachkriegsjahren standen Lehre und Nachwuchsförderung  im Vordergrund, eine der Säulen der Hochschulgruppe. In der Forschung knüpfte man an die technologischen Arbeiten zu Kriegszeiten an. Zur Weiterentwicklung der Automatisierung wurden mechanische, elektrische, hydraulische und erste elektronische Steuerungen untersucht. Zunehmend suchte man nach neuen Möglichkeiten der Rationalisierung für die Fertigung mittlerer und kleiner Serien.

Der Durchbruch kam 1952 aus den USA mit der Entwicklung der numerischen Steuerung am MIT. Einige Jahre später setzte an den Lehrstühlen der Hochschulgruppe die intensive Forschung auf diesem Gebiet ein. Der rein Geometriedaten orientierte Ansatz in den USA wurde hier um technologische Bausteine erweitert.

Eine Reihe von Arbeiten, die als Gemeinschaftsaufgabe der Hochschulgruppe definiert wurden, konnte aufgegriffen und erfolgreich in die industrielle Fertigung und in die Lehre eingeführt werden. Hierzu zählen beispielsweise adaptive Steuerungen (adaptive control, AC), die rechnergestützte Konstruktion (CAD), die rechnerunterstützte Fertigung (computer aided manufacturing, CAM) oder auch die hard- und softwaremäßige Verkettung von Maschinen in Flexiblen Fertigungssystemen (FFS).

 

WGP berät Verbände und Politik

Die Hochschulgruppe verstand sich zunehmend auch als Berater und Anreger in produktionstechnischen Fragen für die politischen Entscheider. WGP-Forschende diskutieren beispielsweise Forschungsaktivitäten, die Deutschland angehen sollte und entwickeln gemeinsam mit der Bundesregierung Forschungsinitiativen.

So konnte die WGP in den 80er Jahren den Bundesminister für Forschung und Technologie überzeugen, ein republikweites Programm für die Computer Integrierte Fertigung (CIM, computer integrated manufacturing) aufzulegen und eine Reihe von CIM-Transferzentren einzurichten, in die glücklicherweise nach dem Fall der Mauer auch die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der neuen Bundesländer eingeschlossen werden konnten. Die in den CIM-Transferzentren  möglichen Arbeiten in Forschung, Lehre und Weiterbildung erwiesen sich als wichtige Vorläufer und Bausteine einer umfassenden Digitalisierung in der produzierenden Industrie, die heute unter dem Titel „Industrie 4.0“ betrieben wird.

 

Ausbildung international gefragter Führungskräfte

Auch in der Lehre hat sich die WGP seit ihrem Bestehen für moderne Formen der Wissensvermittlung und Aufnahme aktueller Inhalte in die Lehre eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die 2015 ins Leben gerufene WGP-Produktionsakademie, in der Mitarbeitende von Unternehmen, aber auch Studierende von simulativ-theoretischen über praktisch- produktionstechnischen bis hin zu wirtschaftlich-organisatorischen Weiterbildungen absolvieren können. Die WGP kann daher mit Fug und Recht behaupten, den auch international begehrten Führungsnachwuchs für die deutsche Industrie auszubilden.

So begegnet die national und international anerkannte WGP seit nunmehr 80 Jahren durch ihre Forschung, Lehre und Weiterbildung sowie durch Beratung der politischen Entscheider und Entscheiderinnen den wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Exzellenz des Produktionsstandortes Deutschland.

 

[1]  Kienzle, O.: 25 Jahre Hochschulgruppe Fertigungstechnik: 1937-1962. Vortrag, Sonderdruck 1962

WGP-Treffen 1958 in Berlin auf der MS Karo As

Quelle: WZL, RWTH Aachen