Drehen als Fertigungsverfahren

  1. Was ist Drehen?
  2. Wie funktioniert Drehen?
  3. Ziele und Einsatzgebiete des Drehens
  4. Einzelne Drehverfahren
  5. Vorteile des Drehens
  6. Nachteile des Drehens
  7. Werkzeuge und Schneidstoffe beim Drehen
  8. Maschinen beim Drehen
  9. Parameter beim Drehen
  10. Erfolgsfaktoren und Umsetzung des Drehens
  11. Drehen und Arbeitsschutz
  12. Schulungen über Drehverfahren

 

Was ist Drehen?

Das Drehen ist Teil der spanenden Fertigungsverfahren mit geometrisch bestimmter Schneide nach DIN 8580. Charakterisierend für dieses Fertigungsverfahren ist die um die eigene Achse rotierende Bewegung des Werkstückes. Eingesetzt wird es für die Fertigung von Flanschen, Achsen, Wellen und sonstigen rotationssymmetrischen Werkstücken. Komplexe CNC-Maschinen, die je nach Aufgabe mehrere Spindeln verfügen, die bei Übergabe des Bauteils synchronisiert werden, erlauben dabei die Fertigung von anspruchsvollen Geometrien.

 

Wie funktioniert Drehen?

Beim Drehen wird das Werkstück über die Hauptspindel der Maschine in Rotation versetzt. Der Vorschub für den Schnitt wird dabei immer von einem Schlitten auf einer Führung erzeugt, auf welchem der Werkzeughalter befestigt ist. Moderne Drehmaschinen besitzen über angetriebene Revolverplätze, sodass auch rotierende Werkzeuge, die z.B. für einen Bohr- oder Fräsprozess benötigt werden, eingesetzt werden können. So kann beispielsweise durch eine gegenläufige Bewegung des Zentrierbohrers eine höhere Genauigkeit der Pilotbohrung realisiert werden. Als Edukt dienen beim Drehen häufig Rundstangen, welche im Vorhinein abgelängt werden.

Konventionelles Drehen

Konventionelles Drehen eines C45 Werkstoffes. Quelle: ISF

Ziele und Einsatzgebiete des Drehens

Drehen zählt zu den ältesten Fertigungsverfahren und wurde bereits im ersten Jahrtausend v.Chr. nachgewiesen werden. Heute wird es in nahezu allen Branchen des Maschinenbaus eingesetzt. Besonders in der Fahrzeugbranche besitzt das Drehen eine wichtige Rolle aufgrund der Vielzahl an rotationssymmetrischen Bauteilen, wie z.B.  Zylinderkolben, Radnaben oder Wellen. Je nach Einsatzzweck sind viele Sonderformen der Drehmaschinen anzutreffen. Zu diesen zählen u.a. Walzendrehmaschinen, die für die Herstellung von Walzwerken zuständig sind, sowie Radsatzdrehmaschinen, für die Herstellung von Rädern und Achsen von Schienenfahrzeugen. Die konventionelle Drehmaschine wird jedoch zunehmend von Bearbeitungszentren substituiert, welche aufgrund von mehreren Spindeln sowie angetriebenen Werkzeugrevolvern, neben dem Drehen zudem Bohr- und Fräsbearbeitungen, sowie automatisierte Umspannvorgänge zulassen. Produktionsdrehautomaten finden heutzutage insbesondere in der Serienteilefertigung ihren Einsatz, wo sie in Verbindung mit Stangenlagern, in die Produktionslinie eingebunden werden. Mithilfe moderner Robotertechnologie können die Fertigteile nach dem Fertigungsprozess sogar automatisiert entnommen werden. Dies reduziert zum einen die Fertigungszeiten und sorgt für weniger Belastung für den Menschen. Im Jahr 2017 belief sich der Anteil der Drehmaschinen im Bereich spanender Werkzeugmaschinen auf rund ein Drittel. Damit zählt das Drehen zu den wichtigsten Verfahren im Bereich der spanenden Fertigung.

 

Einzelne Drehverfahren

In der ersten Gliederungsebene nach DIN 8589 werden einzelne Drehverfahren nach der zu erzeugenden Form in sechs Varianten unterteilt:

Plandrehen

Die Hauptanwendung des Plandrehens liegt im Herstellen von Planflächen an abgesetzten rotationssymmetrischen Werkstücken und im Abstechen von Stangenmaterial. Zu beachten ist, dass sich die Schnittgeschwindigkeit bei abnehmendem Durchmesser verändert, wenn die Spindeldrehzahl nicht geregelt wird. Das Verfahren lässt sich weiter unterteilen in Längs- und Querplandrehen sowie Querabstechdrehen.

Runddrehen

Das Runddrehen ermöglicht das Erzeugen von kreiszylindrischen Flächen, die koaxial zur Drehachse des Werkstückes liegen. Unterschieden wird in Längs- und Querrunddrehen, wobei das Breitschlichtdrehen, welches hohe Oberflächengüten erzeugt und das Schälrunddrehen zu den Besonderheiten zählen.

Schraubdrehen

Mittels Schraubdrehen werden durch speziell profilierte Werkzeuge insbesondere Gewinde hergestellt. Mithilfe von abgestuften Werkzeugen, den so genannten Gewindestrehlern, können Gewinde in einem Überlauf hergestellt werden.

Walzdrehen

Dieses Verfahren kommt zum Einsatz, wenn Walzflächen, wie z.B. Verzahnungen erzeugt werden. Dies geschieht unter Verwendung spezieller Werkzeuge, wurde allerdings von anderen Verfahren weitestgehend abgelöst.

Profildrehen

Das Profildrehen zeichnet sich dadurch aus, dass die zu erzeugende Form im Werkzeug abgebildet ist.

Formdrehen

Maschinen mit numerischer Steuerung können mittels dieses Verfahrens komplexe Geometrien realisieren, die mit o.g. Verfahren nicht erreicht werden können. Dabei kommen vor allem CAM-Programme zur Maschinenprogrammierung zum Einsatz.

 

Vorteile des Drehens

Gleich mehrere Vorteile machen das Drehen zu eine Basistechnologie und grenzen es gegenüber anderen spanende Fertigungsverfahren ab. So kennzeichnet sich das Drehen durch:

  • große Produktivität
  • geringer Werkzeugverschleiß
  • umfangreiche Materialvielfalt
  • hohe Maßgenauigkeit und hohe Wiederholgenauigkeit
  • gleichbleibende Qualität

 

Nachteile des Drehens

  • lange Späne (schlechtes Spänemanagement), wodurch die Bauteilqualität reduziert wird
  • ausschließliche Bearbeitung von rotationssymmetrischen Bauteilen

 

Werkzeuge und Schneidstoffe beim Drehen

Eingesetzt werden heute beim Drehen fast ausschließlich Wendeschneidplatten in verschiedenen Ausführungen. Anhand von zehn Merkmalen lassen sich diese unterteilen:

  • Form der Schneidplatte: Schneidplatten können dreieckig, quadratisch, rhomboid, rund oder vieleckig geformt sein.
  • Freiwinkel: Der Freiwinkel von Schneidplatten kann 0 bis 30° betragen. Schneidplatten mit 0° werden mit einem N gekennzeichnet.
  • Toleranz: Schneidplatten besitzen gewisse Toleranzen im Außenmaß und in der Dicke. Daher ist ein Kalibrieren nach dem Tauschen oder Wenden der empfehlenswert.
  • Befestigung und Spanbrecher: Einerseits kann man in nicht-gebohrte, geklemmte Schneidplatten und in mittig gebohrte, geschraubte oder geklemmte Schneidplatten, unterscheiden. Bei allen Ausführungen können sich Spanbrecher befinden, welche lange Späne und ein daraus resultierendes Aufwickeln verhindern.
  • Schneidkantenlänge: Die Länge der Schneide kann 3,97 bis 32 mm betragen. Bei runden Platten wird der Durchmesser angegeben, bei Formplatten ebenfalls die Länge der Schneide.
  • Plattendicke: Schneidplatten können 1,59 mm bis 9,52 mm stark ausgeprägt sein.
  • Eckenradius: Der Eckesradius von Schneidplatten kann bis zu 3,2 mm betragen.
  • Schneidkantenform: Je nach Anwendungszweck können die Schneiden scharfkantig, gerundet, gefast, gefast und gerundet, doppelt gefast, sowie doppelt gefast und gerundet sein.
  • Schnittrichtung: Je nach Schliff sind Wendeschneidplatten von links nach rechts, von rechts nach links oder beliebig zu führen.
  • Schneidstoff: Als Schneidstoff wird aufgrund der Verschleißbeständigkeit Hartmetall verwendet, welches i.d.R. mit einer zusätzlichen Beschichtung versehen wird. Diese dient zum einen als Wärmebarriere und reduziert die Reibung zwischen dem Werkzeug und dem Werkstück, weshalb der Werkzeugverschleiß signifikant verringert wird. Typische Beschichtungen sind beispielsweise TiN, AlTiN, TiAlN sowie TiCN.

 

Maschinen beim Drehen

Drehmaschinen lassen sich bezogen auf der Bauform und dem Anwendungsgebiet in vier Arten kategorisieren:

Leit- und Zugspindeldrehmaschine

Über 50% aller verkauften Drehmaschinen fallen auf diesen Typen zurück. Es handelt sich hierbei um eine horizontale Maschine, bei der in der Regel links die Werkstückspindel, rechts der Reitstock und sich in der Mitte gegebenenfalls die Pinole befindet. Heute spricht man bei modernen Maschinen häufig von Universaldrehmaschinen. Gemeint sind damit Leit- und Zugspindeldrehmaschinen, welche über einen Werkzeugrevolver und je nach Ausführung über weitere Freiheitsgrade verfügt.

Drehautomat

Bei diesem Typen handelt es sich um eine vollautomatisierte Drehmaschine, welche meist zum Einsatz kommt, wenn Massenprodukte, wie z.B. Muttern, Schrauben, Ventile, etc. hergestellt werden. Sie zeichnen sich durch ein System zur Werkstückbeschickung und -entnahme aus.

Plandrehmaschine

Die auch als Flachbettdrehmaschine bekannte Plandrehmaschine ist mit einem horizontal ausgerichteten Bett und einer horizontalen Hauptspindel ausgestattet. Durch ihre steife Konstruktion lassen sich schwere Werkstücke tragen und hohe Bearbeitungskräfte einwirken.

 

Parameter beim Drehen

Die Prozessparameter beim Drehen ähneln sich denen anderer spanender Fertigungsverfahren. Dabei handelt es sich um aktive Parameter, wie:

Schnittgeschwindigkeit vc:

Die Schnittgeschwindigkeit vc ist die Relativgeschwindigkeit zwischen der Werkzeugschneide und dem zu bearbeitenden Werkstück in Schnittrichtung.  Sie wird meist in Meter pro Minute (m/min) angegeben und ist gemäß der Formel vc = n ∙ Dc ∙ π von der Drehzahl n sowie von dem zu bearbeitenden Durchmesser Dc des Werkstückes abhängig.

Vorschub f:

Beim Drehen wird der Vorschub f des Werkzeuges in der Regel in Millimeter (mm) angegeben und verläuft orthogonal zur Schnittbewegung.

Schnitttiefe ap:

Die Schnitttiefe ap bezeichnet die Tiefe des Schneideingriffes und wird in mm angegeben.

Auch passive Parameter, wie Oberflächenrauheit zur Qualitätssicherung, sind beim Drehen von Relevanz. Viele andere Parameter lassen sich noch aus den o.g. Parametern ableiten, wie z.B. Steigung und Rillentiefe.

Parameter des Drehens

Thermische Belastung des Werkzeugs beim Außenlängsdrehen hochfester Stähle. Quelle: ISF

Erfolgsfaktoren und Umsetzung des Drehens

Die exakte Bestimmung von Prozessparametern erfordert viel Erfahrung und Wissen. Vor allem für Betriebe, welche nur verhältnismäßig selten Drehteile benötigen, ist es daher ratsam, auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Diese haben ein umfassendes Wissen zu Prozessparametern, Werkzeugwahl und anderen Rahmenbedingungen, welche eine erfolgreiche Produktion versprechen.

 

Drehen und Arbeitsschutz

Für das sichere Arbeiten an Drehmaschinen gibt es eine Vielzahl an Gesetzten, Vorschriften und Verordnungen. Einige wichtige Punkte für den allgemeinen Umgang lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Tragen enganliegender Kleidung
  • Ablegen von Schmuck, Uhren und anderen Gegenständen, welche sich verfangen können
  • Verzicht auf das Tragen von Handschuhen bei offen drehenden Maschinen, aber Tragen einer Schutzbrille
  • Fixieren von langen Haaren
  • keine Veränderungen an Schutzeinrichtungen vornehmen
  • Handhabung der Werkstücke nur bei stehender Maschine
  • auf exakte Werkstückeinspannung achten

 

Schulungen über Drehverfahren

Aufgrund der stetig voranschreitenden Digitalisierung, welche in der Fertigungsindustrie den Begriff 4.0 geprägt hat, ist der Austausch über neue Technologien ebenso wichtig wie der Umgang mit diesen. Durch das gezielte Weiterbilden im Bereich des Drehens, können neben den Prozesszeiten und dem Ausschuss auch der Werkzeugverschleiß reduziert werden, was sowohl ökonomische als auch ökologische Synergieeffekte für das Unternehmen bietet. Die wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) bietet im Rahmen der WGP-Produktionsakademie ein maßgeschneidertes Weiterbildungsangebot an, bei dem Fortbildungen, Schulungen und Seminare zum Thema Drehen bzw. Drehverfahren angeboten werden. Des Weiteren kann am Institut für Spanende Fertigung (ISF), an der TU Dortmund, ein attraktives Angebot an Seminaren und Weiterbildungen besucht werden, zu denen u.a. das WGP-Seminar gehört, indem den Teilnehmenden an den Basisprozessen wie dem Drehen, Bohren und Fräsen der Umgang mit geeigneter Messtechnik / Sensorik vermittelt wird, um ein breiteres Wissen im Bereich der Zerspanung zu erlangen.

 

Hier finden Sie das Seminar zur Prozess-, Werkzeug- und Maschinenanalyse der WGP-Produktionsakademie.
Bildmaterial (Quelle: ISF)