Beitragsbild: Intuitive Roboterprogrammierung mit Hilfe von Augmented Reality. | Quelle: Sonja Bald, match Hannover

Eine neue Generation von Automatisierungssystemen wird mithilfe von KI und Augmented Reality die Automatisierung für alle zugänglich machen. Cobots lernen dabei einfach durch „zusehen“.

 

Dezember 2025 – Die Industrie steht heute mehr denn je vor der Herausforderung, ihre Produktion flexibel, effizient und gleichzeitig wirtschaftlich zu gestalten. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) suchen nach Wegen, um Prozesse zu automatisieren, ohne gleich in große, teure Anlagen oder auf spezialisierte Programmierkenntnisse angewiesen zu sein. Hier setzen die Forschenden der WGP am Institut für Montagetechnik und Industrierobotik (match) der Leibniz Universität Hannover an. Mit einem Fokus auf intuitive Programmierung, Mensch-Roboter-Kollaboration und den Einsatz von künstlicher Intelligenz ebnet das match den Weg zu einer neuen Generation von Automatisierungssystemen.

 

Cobots als Türöffner zur Automatisierung

Während in großen Industrieunternehmen Industrieroboter längst selbstverständlich sind, scheuen viele KMU den Einstieg. Die klassischen Systeme gelten als zu unflexibel und aufwändig in der Programmierung. Kollaborationsfähige Roboter, sogenannte Cobots, könnten das ändern. Sie arbeiten sicher Seite an Seite mit Menschen und lassen sich mit modernen Methoden intuitiv einsetzen.

Damit die Zusammenarbeit noch intuitiver wird, erforscht das match den Einsatz von Augmented Reality. So demonstrieren Prozessfachleute ihrem Roboter einfach durch Vormachen, wie eine Aufgabe ausgeführt werden soll. Dieses wird durch ein AR-Headset aufgenommen und für den Roboter übersetzt. Der Mensch kann dabei Fehler direkt erkennen und eingreifen, sodass ein funktionsfähiges Programm entsteht. Damit virtuelle und reale Objekte beim Vormachen zuverlässig zusammenpassen, muss der Roboter genau wissen, wo sich ein Werkstück im Raum befindet und wie es orientiert ist.

 

Augmented Reality trifft 6D-Posenbestimmung

Diese Kombination aus Lage und Orientierung beschreibt die sogenannte 6D-Posenbestimmung. Sie liefert die Grundlage für präzise Bewegungen, etwa wenn ein Roboter ein Teil greifen, positionieren oder zusammenfügen soll. Moderne Verfahren nutzen dabei bildbasierte KI-Systeme, die Objekte mithilfe von Kameras erkennen und deren räumliche Lage bestimmen. Grundlage sind neuronale Netze, die aus unzähligen Bildern (Farbbildern mit Tiefeninformationen, RGB-D) lernen, wie ein bestimmtes Objekt aus unterschiedlichen Perspektiven aussieht. So entsteht ein robustes Modell, das auch bei schwierigen Lichtverhältnissen oder teilweiser Verdeckung zuverlässig funktioniert.

Ein wichtiger Fortschritt sind die sogenannten Foundation Modelle. Sie werden auf eine Vielzahl von Objekten trainiert und können ihr Wissen auf neue Bauteile übertragen, selbst wenn diese im Training nicht bekannt waren. Um das System auf möglichst viele unterschiedliche industrielle Situationen vorzubereiten, werden Trainingsdaten mit großer Vielfalt benötigt. Da das Sammeln solch realer Daten sehr aufwändig ist, werden stattdessen synthetische Daten erzeugt. Dazu werden Szenen und Objekte künstlich gerendert und mit Hilfe generativer KI zusätzlich variiert, um eine möglichst große Bandbreite an Bedingungen und Erscheinungen abzudecken. Dadurch lässt sich das System effizient auf verschiedenste industrielle Aufgaben vorbereiten.

Besonders spannend ist der Einsatz dieser Technologie in Verbindung mit AR-Systemen. Wird die 6D-Posenbestimmung direkt in ein AR-Interface integriert, kann die Benutzerin oder der Benutzer dem Roboter gezielt zeigen, welches Objekt er greifen soll. Der Roboter versteht diese Demonstration dank der präzisen Positionsdaten unmittelbar und kann die Aufgabe selbstständig ausführen. Auf diese Weise entsteht eine intuitive, visuelle Mensch-Roboter-Schnittstelle, die den Einstieg in die Automatisierung deutlich vereinfacht.

Abbildung 1: 6D-Posenbestimmung als Schlüssel zur flexiblen Automatisierung und Teilschritte der Posenbestimmung. | Quelle: match Hannover

Abbildung 1: 6D-Posenbestimmung als Schlüssel zur flexiblen Automatisierung und Teilschritte der Posenbestimmung. | Quelle: match Hannover

 

KI in der Praxis: Datensätze für die Industrie

Damit KI-Modelle in der industriellen Realität zuverlässig funktionieren, benötigen sie repräsentative Testdaten. Hier hat das match einen robotergestützten Aufbau entwickelt, der industrielle Objekte automatisiert erfasst und präzise vermisst. Diese Daten bilden die Grundlage für realistische Tests und die Weiterentwicklung robuster KI-Algorithmen, etwa für glänzende oder symmetrische Metallteile, die herkömmlichen Methoden große Schwierigkeiten bereiten.

Diese enge Verzahnung von Robotik, KI und Messtechnik ist ein entscheidender Schritt, um Forschungsergebnisse in stabile, praxisnahe Lösungen zu überführen, die auch unter realen Produktionsbedingungen zuverlässig funktionieren.

 

Automatisierung für alle

Die Vision ist klar: Automatisierung soll kein Privileg großer Unternehmen bleiben. Durch intuitive Bedienung, KI-gestützte Objekterkennung und AR-basierte Interaktion könnten künftig auch kleinere Fertigungsbetriebe Roboter effizient einsetzen, selbst ohne spezialisierte Fachleute. Der Nutzen ist groß: mehr Flexibilität bei kleinen Stückzahlen, Entlastung der Mitarbeitenden und eine wirtschaftlichere Produktion.

Am match wird intensiv daran gearbeitet, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Die intuitive Zusammenarbeit zwischen Mensch, Roboter und KI könnte schon bald zu einem zentralen Bestandteil einer modernen, resilienten und nachhaltigen Industrie werden, ganz im Sinne einer Automatisierung für alle.

Abbildung 2: Extrinsische Kalibrierung, um die 6D-Pose eines Objekts in das Koordinatensystem des Roboters zu übertragen. | Quelle: match Hannover

Abbildung 2: Extrinsische Kalibrierung, um die 6D-Pose eines Objekts in das Koordinatensystem des Roboters zu übertragen. | Quelle: match Hannover

 


Ansprechpartner

Institut für Montagetechnik und Industrierobotik  
Leibniz Universität Hannover 

Prof. Annika Raatz
Institutsleiterin
Tel.: +49 (0)511 762 18244
E-Mail: raatz@match.uni-hannover.de

Sebastian Blankemeyer
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel.: +49 (0)1523 762 0500
E-Mail: blankmeyer@match.uni-hannover.de 

 


Downloads:

Beitragsbild:

Intuitive Roboterprogrammierung mit Hilfe von Augmented Reality. | Quelle: Sonja Bald, match Hannover

Bild 1:

6D-Posenbestimmung als Schlüssel zur flexiblen Automatisierung und Teilschritte der Posenbestimmung. | Quelle: match Hannover

Bild 2:

Extrinsische Kalibrierung, um die 6D-Pose eines Objekts in das Koordinatensystem des Roboters zu übertragen. | Quelle: match Hannover

 

 

 

 

Schlagwörter