Produktionstechnik in der Elektronik

  1. Definition der Produktionstechnik
  2. Grundlagen der Produktionstechnik
  3. Anwendung der Produktionstechnik
  4. Teilgebiete der Produktionstechnik
  5. Chancen und Grenzen der Produktionstechnik
  6. Maschinen und Tools für die Produktionstechnik
  7. Trends in der Produktionstechnik
  8. Weiterbildungen für die Produktionstechnik
  9. Dienstleistungen für die Produktionstechnik

 

Definition der Produktionstechnik

Unter Produktionstechnik werden alle Verfahren, Maßnahmen und Einrichtungen zur industriellen Herstellung von Gütern aus Grundstoffen, Zwischenprodukten und/oder Einzelteilen oder Vorläuferprodukten zusammengefasst. Grundlage ist die Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in technologisch beherrschbare und wirtschaftlich nutzbare Produktionssysteme [1].

Am Lehrstuhl FAPS werden Produktionstechniken für konventionelle elektrische Schaltungsträger und additiv gefertigte Schaltungsträger beforscht und daran gearbeitet, die innovativen Fertigungstechniken technologisch beherrschbar und wirtschaftlich nutzbar zu machen.

 

Grundlagen der Produktionstechnik

Die Produktionstechnik wird meist in die drei Gebiete Energietechnik (Erzeugung, Wandlung und Übertragung von Nutzenergie), Fertigungstechnik (Techniken zur Produktion von Stückgütern definierter Form, siehe DIN 8580) und Verfahrenstechnik (Techniken zur Produktion von Fließgütern wie Schüttgütern, Flüssigkeiten und Gasen) unterteilt [1].

Weitere Teilaspekte sind:

  • Produktionssysteme
  • Fertigungsverfahren
  • Qualitätssicherung
  • Nachhaltige Produktion
  • Produktionsoptimierung

Für den Bereich der Elektronikproduktion / Produktionstechniken für Elektronik gilt dies ebenso.

 

 

Anwendung der Produktionstechnik

Aufgabe der Produktionstechnik ist die Anwendung geeigneter Produktionsverfahren und Produktionsmittel zur Durchführung von Produktionsprozessen bei möglichst hoher Produktivität. Die Produktionstechnik betrifft den gesamten Prozess der Gütererzeugung (Elektronikgüter somit eingeschlossen). Sie beginnt als Teil des Materialkreislaufs im Bereich der Urproduktion durch Gewinnungs- und Aufbereitungstechnik mit der Erzeugung von Rohstoffen. Diese werden durch die Verfahrenstechnik zu Gebrauchsstoffen oder Werkstoffen umgewandelt. Durch Fertigungs- und Montagetechnik erfolgt die Formgebung der Werkstoffe zu Bauteilen und ihre Kombination zu gebrauchsfertigen Gütern [2].

Die größten Branchen in denen Produktionstechniken zur Fertigung elektronischer Baugruppen zum Einsatz kommen sind Consumer Electronics, Automobilelektronik, Steuer- und Regelektronik, Energiewandlung, Antriebstechnik und der Maschinen- und Anlagenbau.

 

 

Teilgebiete der Produktionstechnik

Fertigungstechnik

Sie ist die Lehre von der (wirtschaftlichen) Herstellung von Werkstücken und anderen geometrisch definierten festen Körpern (Stückgütern) [3]

Produktionssysteme

Dynamisches Netzwerk von Gestaltungsprinzipien, Methoden und Werkzeugen zur Planung, zum Betrieb und zur permanenten Prozessverbesserung von Produktionsunternehmen [4]

Logistik

Logistik ist ein System, das zunächst im Unternehmen, aber auch unternehmensübergreifend mit Lieferanten und Kunden, eine optimale Versorgung mit Materialien, Teilen und Modulen für die Produktion – und auf der anderen Seite natürlich der Märkte bedeutet [5]

Produktionstechnik in der Elektronik

Produktionstechnik in der Elektronik, Quelle: FAPS Universität Erlangen

 

Chancen und Grenzen der Produktionstechnik

Überall dort, wo bislang Komplexität, Variantenvielfalt, kleine Stückzahlen oder Sicherheitsanforderungen die Automatisierung derzeit unrentabel machen liegen die aktuellen Grenzen der Produktionstechnik [6]. Durch Weiter-Entwicklung bestehender Produktionstechniken können diese aber überwunden werden, bspw. sind mit additiver Fertigung kleiner Losgrößen und selbst Einzelstücken wirtschaftlich fertigbar. Individualisierte Bauteile, Prototypen und selten nachgefragte Ersatzteile gelten daher als Domänen der additiven Fertigung. „Additive Fertigung“, sagt der Fertigungsexperte Franz-Josef Wöstmann vom Fraunhofer Institut IFAM in Bremen, „ist Ergänzung, nicht Substitution.“ Die Grenzen der additiven Fertigung liegen wiederum, dort wo sich mit konventionellen Fertigungsverfahren hohe Stückzahlen wirtschaftlich erzielen lassen [7].

 

Maschinen und Tools für die Produktionstechnik

Im Bereich der konventionellen Elektronikproduktion / Produktionstechnik für Elektronik sind die wichtigsten Maschinen und Werkzeuge:

  • Schablonendrucker für Lotpasten
    • Um eine zuverlässige Lötstelle mittels Reflowlötprozessen zu erzeugen, muss in einem ersten Arbeitsschritt Lotpaste auf die Anschlussflächen aufgetragen werden. Neben dem Siebdruckverfahren und dem Dispensen von Verbindungsmedien, hat sich der Schablonendruck mit Schablonendruckern bei dem augenblicklichen Entwicklungsstand der IC-Anschlussraster und der erhöhten Qualitätsanforderung in der Serienproduktion fest etabliert.
  • Lotpasteninspektoren
    • Der Prozess des Lotpastenauftrages spielt im gesamten Montageprozess einer elektrischen Baugruppe die wichtigste Rolle, da sich die während des Lotpastendruckes erzielte Qualität unmittelbar auf die nachfolgenden Prozessschritte auswirkt. Die Qualität des Lotpastenauftrags mit dem Schablonendruckern wird deswegen auf Basis meist lichtoptischer Messungverfahren in Lotpasteninspektoren überwacht
  • Automatische (optische) Prüfsysteme (AOI)
    • Neben Scannersystemen existieren Kamerasysteme für eine 2D- bzw. 3D-Inspektion. AOIs können nach den Prozessschritten Pastenauftrag, Bestücken oder Löten eingesetzt werden. Bei AOIs handelt es sich um reine Inspektionssysteme und nicht um Messsysteme. AOIs weisen typischerweise sehr hohe Pseudofehlerraten auf. AOI-Systeme können an vielen Stellen des Fertigungsprozesses eingesetzt werden. Prinzipbedingt können verdeckte Anschlussstrukturen spezieller Bauelementformen (BGA, QFN, Steckerkomponenten) nicht inspiziert werden.
  • Lotöfen
    • Reflowöfen, die die Wärme über Zwangskonvektion an die elektronischen Baugruppen abgeben, haben derzeit die größte Verbreitung auf dem Markt, da der Prozess sehr gut automatisierbar ist und in bestehende Fertigungslinien integriert werden kann. Durch das Erwärmen der in der Prozesskammer befindlichen Luft wird Konvektion erzeugt, die durch tangentiale bzw. axiale Lüfter forciert wird. Durch die Berührung des erwärmten Gases mit dem kälteren Schaltungsträger, findet der Wärmeübergang statt. Über eine Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit kann demzufolge der Wärmeübergang gesteigert werden.
  • Transportbänder
  • Bestückautomaten
    • Die SMD-Bestücksysteme lassen sich nach ihrem Automatisierungsgrad einteilen: Manuelle Bestückung, Automatische sequentielle Einzelbestückung, Automatische sequentielle Simultanbestückung und Automatische Simultanbestückung. Bei der automatischen sequentiellen Einzelbestückung nimmt der Bestückautomat aus einem Zuführmodul ein oder mehrere Bauelemente auf und setzt sie einzeln nacheinander auf der Leiterplatte ab. Die Flexibilität dieser Variante hat dazu beigetragen, dass sie heute mit Abstand die höchste Verbreitung gefunden hat. Verschiedene kinematische Varianten sind möglich: Bei ortsfester Leiterplatte kann entweder nur der Bestückkopf bewegt werden oder es werden sowohl Leiterplatte als auch Bestückkopf bewegt. Das traditionelle Pick & Place-Konzept wird wegen einer zu geringen Mengenleistung (< 3000 BE/h) heute nur noch bei Low-Cost-Automaten oder zur Präzisionsbestückung eingesetzt. Für höhere Mengenleistung wird auf das Revolver- oder das Karussellprinzip (Collect & Place) zurückgegriffen. Damit lassen sich Durchsatzraten von bis zu 50 000 BE/h erzielen. Moderne Maschinenkonzepte erreichen bereits bis zu 120 000 BE/h.Trends in der Produktionstechnik
SMD-Produktionslinie

Produktionslinie in der Herstellung von Elektronik, Quelle: FAPS Universität Erlangen

 

  • Ausbau der Robotik und weitere Automatisierung bislang zu komplexer Tätigkeiten
    • Kollaborative Roboter (Cobots), die ohne Schutzeinhausung direkt mit und neben Menschen arbeiten können und die ohne Engineering-Aufwand an die notwendige Tätigkeit angepasst werden können [7]
    • Roboterprogrammierung (bspw. Greifaufgaben) durch Einsatz künstlicher Intelligenz [7]
  • Industrie 4.0
    • Industrie 4.0-konforme Anbindung von Produktionsanlagen
    • Netzwerk- und Cloudtechnologien
    • Industrial Data Science
  • Additive Fertigung
    • klassische additive Fertigungsverfahren/Produktionsprozesse, wie FDM, SLA, SLS oder STL werden kombiniert und zur direkten Realisierung mechatronisch funktionalisierter Bauteile / elektronische Baugruppen genutzt
  • Wirtschaftliche Fertigung in kleinen Stückzahlen bzw. Losgröße 1
    • Ermöglicht unter anderem durch additive Fertigung (siehe oben)
  • Nachhaltige Produktion
    • Verkürzung der Lieferketten
    • Intelligentes Tracking der Energieverbräuche in der Fertigung in der Produktion der eingesetzten Ausgangsstoffe
    • Einsatz bioabbaubarer Materialien
    • Entwicklung und Fertigung recyclinggerechter elektronischer Baugruppen
    • Erhöhung der Reparabilität der Baugruppen

 

Weiterbildungen für die Produktionstechnik

Gewinnbringende Trends für das eigenen Unternehmen  im Bereich der Produktionstechnik für Elektronik können am besten im Zuge von Schulungen und Weiterbildungen erkannt und verstanden werden. Der Lehrstuhl FAPS bietet an der Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und industrieller Entwicklung deshalb Seminar im Bereich der Elektronikproduktion an.

Der Forschungsbereich Elektronikproduktion des Lehrstuhl FAPS forscht in den Bereichen SMT-Fertigung, gedruckte Elektronik und Aufbau- und Verbindungstechnik für Leistungselektronik. Innovative Fertigungs-, Analyse- und Simulationskonzepte werden mit dem Ziel beforscht,die gewonnenen Erkenntnisse nutzbringend in die industrielle Anwendung zu übertragen.

Im Bereich der SMT-Fertigung steht unter anderem die Kombination maschineller Lernverfahren zur Verbesserung automatischer Produkt- und Prozesskontrolle im Fokus, im Bereich der gedruckten Elektronik die Kombination additiver Fertigungsverfahren mit den Möglichkeiten zur Aufbringung von Leiterbahnen auf 3-dimensionale Strukturen und im Bereich der Leistungselektronik die additive Fertigung metall-keramischer Schaltungsträger und Kühlstrukturen. Ziel des Seminars ist der Informationstransfer und -austausch durch Fachvorträge, praktische Demonstrationen und persönlichen Austausch.

Das Forschungslabor auf dem ehemaligen AEG-Gelände in Nürnberg mit dem Labor zur

Elektronikproduktion bietet dazu beste Möglichkeiten. Das zweitägige Programm bietet Gelegenheit zur Diskussion individueller Problemstellungen und spezifischer Sachfragen zu sämtlichen Simulations- und Fertigungsschritten sowie Analysemöglichkeiten im Bereich Elektronikproduktion.

Hier finden Sie das Seminar zu Produktionsprozessen in der Elektronikproduktion der WGP-Produktionsakademie.

 

Dienstleistungen für die Produktionstechnik

Professionelle Dienstleister und Anbieter bieten vor allem technologische Expertise bei allen Produktionsprozessen / Produktionstechniken und können aus den vorhandenen Produktionstechniken die geeignetsten für die jeweilige Fragestellung des Kunden ermitteln.

Dienstleistungen im Bereich der Produktionstechnik sind:

  • Aufbau / Wartung von Produktionstechnik / Produktionslinien
  • Planung und Simulation von Produktionstechnik / Fertigungssystemen
  • Entwicklung neuartiger Produktionstechniken

 

Hier finden Sie das Seminar zu Produktionsprozessen in der Elektronikproduktion der WGP-Produktionsakademie.

 

 

Quellen

[1]          „Produktionstechnik“, REFA.de. https://refa.de/service/refa-lexikon/produktionstechnik (zugegriffen 2. November 2022).

[2]          K.-H. Grote, F. Engelmann, W. Beitz, M. Syrbe, J. Beyerer, und G. Spur, Das Ingenieurwissen: Entwicklung, Konstruktion und Produktion. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2014. doi: 10.1007/978-3-662-44393-4.

[3]          „Übersicht über Fertigungsverfahren: Beschreibung, Vorteile, Trends“. https://www.iph-hannover.de/de/dienstleistungen/fertigungsverfahren/uebesicht-fertigungsverfahren/ (zugegriffen 2. November 2022).

[4]          „Produktionssysteme“. https://www.tcw.de/beratungsleistungen/produktion/produktionssysteme-86 (zugegriffen 2. November 2022).

[5]          B.-B. L. e V. Bremen, „Die Bundesvereinigung Logistik erklärt: Was ist Logistik? – Die BVL: Das Logistik-Netzwerk für Fach- und Führungskräfte“. https://www.bvl.de/service/zahlen-daten-fakten/logistikbereiche/logistik (zugegriffen 2. November 2022).

[6]          Z. geändert am 24 S. 2020 0 Kommentare, „Die Grenzen der Produktion?“, Steinbeis Transfer-Magazin, 24. September 2020. https://transfermagazin.steinbeis.de/?p=8353 (zugegriffen 2. November 2022).

[7]          R. Menzel, „Trends der Industrierobotik: Die große Expertenumfrage“, Digital Manufacturing Magazin, 9. Juni 2022. https://www.digital-manufacturing-magazin.de/trends-der-industrierobotik-die-grosse-expertenumfrage/ (zugegriffen 9. Januar 2023).