Dr. Urs Schneider vom IFF/Fraunhofer IPA erklärt die Messungsdurchführung | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Christoph Schmidt

Ein neuartiges Messverfahren spürt Corona-infizierte Personen aus sicherem Abstand auf. Es registriert Fieber, erhöhten Puls und schnellen Atem, ohne den Mitarbeiter zu gefährden. Das Verfahren wird derzeit im Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus getestet.

Juni 2020 – In Krankenhäusern sind Eingangskontrollen gegenwärtig Pflicht. In COVID-19-Zeiten muss man ausschließen, dass Patienten, Klinikpersonal oder Besucher das Virus hineintragen und Menschen gefährden, die ohnehin schon geschwächt sind. Vor dem Haupteingang des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) testen daher die Mitarbeiter zweier WGP-Institute in Stuttgart zusammen mit dem RBK den Access Checker: ein Verfahren, das diese Kontrollen vereinfacht. Das innovative System des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart bzw. des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) misst alle relevanten Parameter aus einer Entfernung von einem Meter. Das Personal, das die Messung von einem Laptop aus durchführt, kann somit den geforderten Mindestabstand von anderthalb bis zwei Metern problemlos einhalten.

Bildausschnitt der Testauswertung mit Wärmebild des Gesichts und Atemhüben. | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Cahristoph Schmidt

Bildausschnitt der Testauswertung mit Wärmebild des Gesichts und Atemhüben. | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Christoph Schmidt

Thermokamera und Radar messen Vitalparameter

„Das Verfahren misst nicht nur die Körpertemperatur mit einer Thermokamera, sondern auch die Herz- und die Atemfrequenz mit Hilfe von Mikrowellen. Dabei kommt ein Radarmodul mit Mikrodopplerverfahren zum Einsatz“ erklärt der Projektleiter Dr. Urs Schneider, der gleichzeitig zwei Abteilungen am IFF und am IPA leitet.

Das Verfahren soll einen Beitrag zur möglichst schnellen Eindämmung der COVID-19-Pandemie leisten. Das Team um den Mediziner Dr. Urs Schneider beschäftigt sich seit Jahren mit Themen wie Arbeitsschutz, Medizintechnik, Bildverarbeitung und Objekterkennung und beherrscht damit alle nötigen Messverfahren. Die Kollegen vom Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart und am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sorgen dabei für die optimale Integration der Eingangskontrolle in die Krankenhausabläufe.

Testvorrichtung mit Wärmebildkamera und Mikrowellensender und -empfänger. | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Cahristoph Schmidt

Testvorrichtung mit Wärmebildkamera und Mikrowellensender und -empfänger. | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Christoph Schmidt

Das Know-how haben die Mediziner, Ingenieure und Arbeitsorganisationsexperten nun genutzt, um in der Krise mit anzupacken. In nur wenigen Wochen bauten sie einen Prototyp zusammen. Dabei haben sie auch an den Datenschutz gedacht: Die Patientendaten werden nicht gespeichert, sondern anonymisiert in einer Papiertabelle dokumentiert.

Das Forscherteam hat zunächst an 100 Probanden vor Ort geprüft, ob und wie genau das neue Messverfahren den üblicherweise von Krankenpflegern im Eingangsbereich erhobenen Daten entspricht und ob der Ablauf praktikabel ist. Zurzeit wird das Verfahren mit 30 Probanden unter optimalen Bedingungen im Labor weiterentwickelt. Schneider hofft auf eine neue Finanzierungsrunde: „Die bislang übliche Kontaktmessung hat natürlich Vorteile“, berichtet der Mediziner. „Sie schneiden oft noch besser ab als unsere Messungen auf Distanz. Doch wir sind dabei, die Software und Hardwareeinstellungen zu optimieren, um auf ein mindestens genauso exaktes Ergebnis zu kommen.“

Sicherer und schneller

Die automatisierte Untersuchung dauert weniger lang als die herkömmliche. „Anstelle von 45 Sekunden mit zwei Mitarbeitern läuft unser Verfahren mit nur einer Person und dauert 15 Sekunden“, resümiert Schneider. Es lässt sich auf diese Weise also auch Personal für die Messungen einsparen, das im Krankenhaus dringender benötigt wird. Das Interesse an dem mobilen Access Checker ist denn auch groß. Andere Einrichtungen wie die Universitätsklinik Tübingen, das Koblenzer Militärkrankenhaus sowie mehrere Corona-Checkstationen in der Umgebung möchten das neuartige Verfahren ebenfalls einsetzen. Die Stuttgarter Wissenschaftler wollen daher vier weitere Systeme bauen. Auch ein Patent ist angemeldet.

Dr. Urs Schneider vom Fraunhofer IPA führt eine Messung an einer Probandin durch. | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Cahristoph Schmidt

Dr. Urs Schneider vom Fraunhofer IPA führt eine Messung an einer Probandin durch. | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Christoph Schmidt

»Wir sind überzeugt, ein vernünftiges Konzept entwickelt zu haben, das auch dann noch zum Einsatz kommen kann, wenn die Corona-Krise vorbei ist«, sagt Schneider. Er denkt dabei nicht nur an Krankenhäuser und Pflegeheime, sondern auch an Flughäfen und andere wichtige Einrichtungen. Denn Infektionswellen wird es immer geben.

Beitragsbild: Dr. Urs Schneider vom IFF/Fraunhofer IPA erklärt die Messungsdurchführung | Quelle: Robert-Bosch-Krankenhaus/Christoph Schmidt


Ansprechpartner

Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF
Universität Stuttgart

Prof. Thomas Bauernhansl
Institutsleiter
Tel.: +49 711 970 1101
E-Mail: thomas.bauernhansl@iff.uni-stuttgart.de

Dr. Urs Schneider
Abteilungsleiter
Tel.: +49 711 970- 3630
E-Mail: urs.schneider@iff.uni-stuttgart.de