Additive Fertigung durch Kaltgasspritztechnik | Quelle: LPS Bochum, Dennis Möllensiep

Kaltgasspritzen ist eine innovative Beschichtungstechnologie, bei welcher metallische Pulverwerkstoffe mit hoher kinetischer Energie auf ein Bauteil aufgetragen werden. Die Schichten weisen hervorragende Eigenschaften auf. WGP-Forschende aus Berlin und Bochum arbeiten daher daran, die Technologie auch für die additive Fertigung zu nutzen.

 

Juli 2024 – Zwar gewinnt die additive Fertigung immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig aber sieht sie sich insbesondere bei der Verarbeitung von Metallen mit werkstoffspezifischen Herausforderungen und hohen Kosten für die Anschaffung des verwendeten Metallpulvers konfrontiert. Das Kaltgasspritzen (Cold Spray, CS), welches zunächst nur zur Beschichtung verwendet wurde, bietet die Möglichkeit, komplexe Metallbauteile kosteneffizient additiv zu fertigen. Dies ist ein vergleichsweise neues Verfahren aus der Gruppe der thermischen Spritzverfahren. Während der Anwendung werden die Pulverteilchen durch Hochdruckgas auf eine Geschwindigkeit von 500-1500 m/s beschleunigt, wodurch sie beim Auftreffen auf eine Oberfläche plastisch verformt werden und sich mit der Zielfläche verbinden. Typische Werkstoffe beim Kaltgasspritzen sind Metalle, aber auch Polymere und Verbundwerkstoffe wie Cermets.

Cold Spray | Quelle: IPK Fraunhofer

Bild 1: Cold Spray | Quelle: IPK Fraunhofer


Viele Werkstoffe werden einfacher und effizienter bearbeitbar

Zahlreiche Vorteile machen Kaltgasspritzen zu einer potenziell wettbewerbsfähigen Technologie im Bereich der Beschichtungstechnik. Da es sich beim Kaltgasspritzen um ein nicht-thermisches Verfahren handelt, können thermisch empfindliche Materialien ohne das Risiko von Aufschmelzen, Oxidation, thermischer Zersetzung, Kristallisation, Kornwachstum oder Phasenumwandlungen auch in atmosphärischer Umgebung abgeschieden werden. Zahlreiche Werkstoffe, die mit laser- bzw. elektronenstrahlbasierten Verfahren nur schwierig zu verarbeiten sind (z.B. Kupfer aufgrund seiner schlechten Absorptionseigenschaften im Wellenlängenbereich kommerziell eingesetzter Laser oder Aluminium aufgrund seiner Rissneigung beim Schweißen) lassen sich mit dem Kaltgasspritzen mit einer hohen Auftragseffizienz verarbeiten. Die hohe Geschwindigkeit und Energie der auftreffenden Partikel verleihen CS weiterhin einen hohen Auftragswirkungsgrad. Die applizierten Beschichtungen weisen hervorragende Eigenschaften auf, darunter ein homogenes, dichtes bzw. fast porenfreies Gefüge, eine hohe Reinheit, eine sehr hohe Schichtkohäsion und -adhäsion sowie einen vorteilhaften (Druck-) Eigenspannungszustand, wodurch die Baugröße der Bauteile praktisch unbegrenzt ist.

Typische Anwendungsfälle des Kaltgasspritzens sind bisher vorwiegend Reparaturbeschichtungen zur Wiederherstellung beschädigter Metallkomponenten. In jüngerer Zeit gibt es zudem zahlreiche Bestrebungen, das Kaltgasspritzen als Verfahren zur additiven Herstellung freistehender Metallkomponenten zu etablieren. Während einfache prismatische oder rotationssymmetrische Bauteile bereits erfolgreich mittels Kaltgasspritztechnik additiv gefertigt werden können, ergeben sich bei der Herstellung von Freiformgeometrien allerdings neue Herausforderungen. Lösungen hierfür werden in unterschiedlichen Projekten an den WGP-Instituten Fraunhofer IPK und LPS Bochum erforscht.

 

Schematische Darstellung | Quelle: LPS Bochum, Dennis Möllensiep

Bild 2: Schematische Darstellung | Quelle: LPS Bochum, Dennis Möllensiep


Ganzheitlicher Bahnplanungsansatz

Denn im Gegensatz zu pulverbettbasierten Verfahren bedarf es bei Freiformgeometrien neuer Bahnplanungsstrategien, da es keinen Untergrund für überhängende Materiallagen gibt. Diese werden in Form eines ganzheitlichen Ansatzes im Zuge des Forschungsprojektes 3D Add-CS am LPS Bochum entwickelt. Über eine Bahnplanungssoftware sollen Bahnen für den die Spritzkanone führenden Roboter generiert werden. Hierbei muss die hohe Abhängigkeit des Schichtauftrags und der Werkstoffeigenschaften von kinematischen Einflüssen wie Spritzabstand, Spritzwinkel, Bahnabstand und Oberflächengeschwindigkeit berücksichtigt werden. Diese Einflussgrößen wiederum hängen eng mit den kinematischen Limitierungen des Industrieroboters sowie der zu erzeugenden Geometrie zusammen, denn optimale Beschichtungsbedingungen sind insbesondere bei Freiformgeometrien nicht immer möglich. Die Einflüsse der Abweichung von den optimalen Bedingungen auf die Werkstoff- und Bauteileigenschaften müssen daher grundlegend untersucht werden. In Simulationen und Versuchsreihen wird hierzu eine Wissensbasis mit Prozessdaten aufgebaut, die zu einer Optimierung der Roboterbahnen genutzt wird. Schlussendlich soll mit Hilfe von additivem Kaltgasspritzen somit ermöglicht werden, beliebige Freiformgeometrien schnell und kostengünstig fertigen zu können.

 

Elektrische Antriebe wettbewerbsfähiger machen

Weitere aktuelle Forschungsprojekte zeigen das hohe Innovationspotenzial des Verfahrens. Im Projekt “Elektrische Antriebe 2.0”, das vom Berliner Fraunhofer IPK in Zusammenarbeit mit dem WvSC durchgeführt wird, liegt der Fokus auf der Entwicklung wettbewerbsfähiger elektrischer Antriebe. Herkömmliche Produktionsprozesse für große elektrische Hochspannungsantriebe basieren auf konventionellen Fertigungstechnologien. Das Kaltgasspritzen als additives Fertigungsverfahren ermöglicht es, geometrische Einschränkungen in der Herstellung von Statorwicklungen und Permanentmagneten zu überwinden und dadurch höhere Leistungsdichten zu erzielen.

Im Kooperationsprojekt “AddGleis” des Förderprogramms Additive Manufacturing Berlin Brandenburg (AMBER), bei dem ebenfalls das Fraunhofer IPK involviert ist, wird das Kaltgasspritzen zur additiven Fertigung von topologieoptimierten Leichtbaukomponenten von Schienenfahrzeugen genutzt. Eine leistungsstarke bildgebende Sensorik in Verbindung mit KI-basierter Prozessüberwachung wird die Weiterentwicklung der Prozessführung unterstützen.

 


Mehr Informationen 3D Add-CS

https://www.lps.ruhr-uni-bochum.de/lps/forschung/3daddcs.html.de

Förderer

BMWK, Industrielle Gemeinschaftsforschung, Fördernummer 22584N2

Ansprechpartner

Lehrstuhl für Produktionssysteme (LPS)
Ruhr-Universität Bochum

Prof. Bernd Kuhlenkötter 
Lehrstuhlinhaber
Tel.: +49 234 32-26310
E-Mail: kuhlenkoetter@lps.rub.de 

Dennis Möllensiep
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel.: +49 234 32-27800
E-Mail: moellensiep@lps.rub.de 

 

Lehrstuhl für Werkstofftechnologie (LWT)
Technische Universität Dortmund

Prof. Wolfgang Tillmann 
Lehrstuhlinhaber
Tel. +49 231 755-2581
E-Mail: wolfgang.tillmann@tu-dortmund.de 

Jonas Zajaczkowski
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel. +49 231 755-7304
E-Mail: jonas.zajaczkowski@tu-dortmund.de

 


Mehr Informationen Elektrische Antriebe 2.0 / AddGleis

https://www.ipk.fraunhofer.de/

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Förderer

Kofinanziert von der Europäischen Union

Ansprechpartner

Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK)

Prof. Eckart Uhlmann
Institutsleiter
Fachgebietsleiter Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) TU Berlin
Tel.: +49 30 39006-100
E-Mail: eckart.uhlmann@ipk.fraunhofer.de 

Tobias Neuwald
Abteilungsleiter Fertigungstechnologien
Tel.: +49 30 39006-308
E-Mail: tobias.neuwald@ipk.fraunhofer.de


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