Bad Nauheim, 16. Mai  2017 – Der „Industriearbeitsplatz 2025“ war Thema der diesjährigen Frühjahrstagung der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) – einem Zusammenschluss führender Maschinenbau-Professoren – in Bad Nauheim vergangene Woche. Die renommierten Wissenschaftler haben 120 Werkzeugmaschinenhersteller und -betreiber befragt, wie die Arbeitsplätze in Fabriken unter Industrie 4.0 aussehen werden. „Bislang wird zu Mensch-Maschine-Schnittstellen vor allem an technischen Fragestellungen geforscht, etwa an der Einbindung mobiler Endgeräte. Doch wie die konkrete Interaktion Mensch-Werkzeugmaschine aussehen wird, ist weitestgehend unbehandelt“, erläutert der Präsident der WGP, Prof. Eberhard Abele, die Motivation der WGP.

„Diese Befragung ist ein erster Versuch, den Industriearbeitsplatz in einer digitalisierten und vernetzten Fabrik besser zu verstehen“, ergänzt Prof. Peter Groche, Leiter des Instituts für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) der TU Darmstadt. „Es zeichnet sich bereits ab, dass die Erwartungen bezüglich der Autonomie der Maschinen in der Gesellschaft überzogen sind: Auch selbstlernende Systeme werden nicht ohne den Menschen funktionieren. Doch wir müssen unseren Mitarbeitern das notwendige Wissen über automatisierte und selbstlernende Maschinen vermitteln, um unseren Wettbewerbsvorteil zu sichern. Das wiederum bedeutet, dass wir Industrie 4.0 als eine Entwicklung der gesamten Gesellschaft begreifen müssen.“

 

Autonome Systeme sind noch unverstanden

Die Entwicklung autonomer Systeme ist noch nicht so weit fortgeschritten, wie häufig vermutet wird. Das ist eines der Ergebnisse der Befragung, die in unterschiedlichen Branchen der Fertigungstechnologie und bei Unternehmen unterschiedlicher Größen durchgeführt wurde. „Bis zur Realisierung autonomer Systeme liegt noch ein weiter Weg vor uns“, fasst Groche zusammen, der die Arbeitsgruppe „Werkzeugmaschinen/An-lagen“ leitete. Da noch keine im eigentlichen Sinne autonomen Systeme existieren, ist auch noch nicht bekannt, wie genau sie funktionieren werden. Daher wollen die WGP-Professoren zunächst sogenannte Use Cases entwickeln, um zu erkunden, wie sich selbstlernende Systeme bei bestimmten Anwendungen verhalten. So soll beispiels-weise geklärt werden, wie man das Lernen der Systeme realisieren und beschleunigen kann. Auch soll die Lernfähigkeit  bezüglich bestehender Qualitätsnormen auf den Prüf-stand gestellt werden.

 

Größere Bandbreite von Anforderungsprofilen

Autonome Fabriken werden nicht ohne den Menschen funktionieren, dessen sind sich die Produktionstechniker jedoch sicher. Nach Einschätzung der befragten Unternehmen wird sich das Anforderungsprofil für Maschinenbediener allerdings spreizen. Demnach werden geringer qualifizierte Mitarbeiter auch künftig benötigt, um mit den autonomen Produktionsanlagen zusammen zu arbeiten. Deutlich erweiterte Qualifikationen werden Maschinenbediener für das Überwachen und Trainieren der Lernprozesse der Maschine bzw. der Anlage benötigen.  Mittlere Qualifikationen, die dem heutigen Facharbeiter ent-sprechen, werden  hingegen an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig entstehen entlang der Prozesskette neue, stärker IT-orientierte Betätigungsfelder, etwa für Aktor- und Sensor-netzwerke sowie Datenanalysen. „Wir haben jedoch – ebenso wie für autonome Systeme – keine ausreichend klare Vorstellung davon, wie die Arbeit in einer autonomen Fabrik von Morgen aussehen wird. Auch hier müssen wir ansetzen und Szenarien entwerfen“, betont Groche. „Mithilfe dieser Szenarien wollen wir die zukünftige Produktionsarbeit konkretisieren und damit den gesellschaftlichen Dialog erleichtern.“

 

Die Wettbewerbsvorteile Deutschlands langfristig sichern

Sollten eines Tages autonome Systeme dominieren, werden Produktivität und Qualität von eben jenen bestimmt. Wie aber kann ein hochentwickeltes Land wie Deutschland dann noch im internationalen Vergleich einen Wettbewerbsvorteil erzielen? „Die Entwick-lung hin zur autonomen Produktion fordert die Gesellschaft ganzheitlich. Wir müssen deswegen den Fokus über das Fabrikgebäude hinaus auf die weitere Umwelt richten“, mahnt Groche, beispielsweise auf die Infrastruktur des Landes und die unterschiedlichen Ausbildungssysteme. „Das Expertenwissen unserer Belegschaften wird international wertgeschätzt. Das duale System zum Beispiel wird weltweit kopiert, und auch die uni-versitäre Weiterbildung findet hohe Anerkennung. Gelingt uns eine frühzeitige Moderni-sierung der Ausbildungsinhalte, können wir mit dem Erfahrungswissen unserer hoch-qualifizierten Maschinenbediener schneller lernen und uns damit auch längerfristig einen Wettbewerbsvorteil sichern.“

Im November sollen auf der Herbsttagung der WGP bereits erste Ergebnisse präsentiert und mit anderen gesellschaftlichen Gruppen diskutiert werden.

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