Titelbild: Business Process Management in der digitalen Fabrik, Quelle: FAPS Erlangen

Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und Hyperautomatisierung: Das bayerische Forschungsprojekt PDA-RobE blickt hinter die Fassade dieser Begriffe und zeigt Potenziale von Workflow-Managementsystemen zur Minimierung von Verschwendungen in der Planung und Nutzung der prozessgesteuerten digitalen Fabrik auf.

 

Dezember 2024 Die Vorzüge einer ganzheitlichen Prozessautomatisierung werden für uns bereits im alltäglichen Leben besonders im Kontakt mit Banken, Versicherungen, Telekommunikation oder Bestellabwicklungen spürbar. Hinter den Transaktionen stecken häufig Workflow-Managementsysteme (WFMS), welche in voller Durchgängigkeit Daten zwischen den Systemen transferieren, Entscheidungen automatisiert treffen und verschiedene Nutzer formularbasiert in die Prozesse einbinden. In der digitalen Fabrik, insbesondere in der Planungsphase („Engineering“), werden WFMS bislang selten genutzt. Gründe dafür sind die heterogene Daten- und Systemlandschaft sowie der agile Charakter der integrierten Produkt- und Prozessentwicklung. Zudem erweisen sich bestehende Prozesse trotz vorhandener Modelle als oft zu unflexibel und unzureichend dokumentiert. Dies führt zu kosten- und zeitaufwändigen sowie fehleranfälligen Projekten, wodurch großes Potenzial ungenutzt bleibt.

 

Automatisierte Koordination der Prozesse

Seit September 2021 forscht ein Konsortium, bestehend aus der exentra GmbH, der Conti Temic microelectronic GmbH und dem WGP-Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der FAU Erlangen-Nürnberg gemeinsam in dem Pilotprojekt PDA-RobE. Ziel ist es, die Transformation von einer reinen Management- und Engineering-Prozessdokumentation hin zur automatisierten Prozesskoordination und -ausführung im Sinne des durchgängigen Engineerings bzw. von Industrie 4.0 zu beschleunigen.

Um die Herausforderungen und Chancen zum Einsatz eines Workflow-Management-Systems in einer digitalen Fabrik zu untersuchen, hat das Erlanger Team beispielhaft eine Brownfield-Montageplanung von Elektronikkomponenten für Fahrerassistenzsysteme erforscht. Ihre Arbeiten haben folgende Erkenntnisse gebracht:

 

(I) Referenzarchitektur für prozessgesteuerte Plattformen

Der Einsatz eines WFMS (z. B. Flowable, Camunda, SAP Signavio, teilweise auch in Open Source verfügbar) ermöglicht die standardisierte Low-Code-Modellierung und Ausführung von BPMN (Business Process Model and Notation), was ein einheitliches Verständnis zwischen Fach- und IT-Experten über Prozessebenen hinweg fördert. PDA-RobE konnte so eine webbasierte Kollaborationsplattform für ausgewählte, bereichsübergreifende Prozesse rund um das Engineering-spezifische Änderungsmanagement prototypisch entwickeln. Die digitalisierten Prozesse beinhalten formularbasierte Nutzeraufgaben, regelbasierte Entscheidungen sowie durch Services automatisierte Abschnitte (insb. Datenbankoperationen und komplexere Kalkulationen). PDA-RobE hat bei der Verarbeitung heterogener Daten gute Erfahrungen mit Abfragesprachen wie GraphQL und Graphdatenbanken (z. B. neo4j) gemacht, und bei der Berücksichtigung komplexer Datenobjekte (z. B. 3D-CAD, PLMXML) mit Objektverweisen gearbeitet.

(II) Modellierung von Prozessen mit agilem Charakter

Während sich die BPMN für wenigstrukturierte Projekte mit starker menschlicher Partizipation eher als ungeeignet zeigt, bietet hierzu die verwandte Notation CMMN (Case Management Model and Notation) große Potenziale. PDA-RobE demonstriert dies anhand eines in CMMN implementierten Stage-Gate-Modells zur Beschaffung von Equipment (hier Anlagen, Werkzeuge und Shopfloor-Ausstattung), wobei agile Phasen durch strukturierte Freigabeprozesse mit Meilensteinen getrennt wurden. Hervorzuheben ist eine automatisierte Analyse zu Beginn, ob Re-Use-Möglichkeiten bei bereits vorhandenem und wenig ausgelasteten Equipment mit ähnlichen funktionalen Eigenschaften bestehen. Diese systematisierte Projektierung führt zu signifikanten Kosteneinsparungen durch reduzierte Doppelbestellungen.

(III) Integration von KI im Business Process Management

KI eignet sich hervorragend, um Entscheidungen in Geschäftsprozessen zu treffen (z. B.  Prozesspfad an einem Gateway), datenbasierte Aufgaben zu automatisieren (z. B. Ähnlichkeit technischer Beschreibungen) und Handlungsempfehlungen basierend auf aktuellen und vergangenen Prozesszuständen bereitzustellen (z. B. Empfohlene Präventivmaßnahmen). Ein erfolgreiches Beispiel ist das Incident-Management im Fabrikbetrieb, bei dem ein Large Language Model (LLM) die Schwere eines Vorfalls selbstständig anhand historischer Referenzfälle bewertet und den Grad notwendiger menschlicher Intervention bestimmt. Dafür erwies sich die Protokollierung aller Aktivitäten in einem graphenbasierten Prozesslog als besonders vorteilhaft, da sie die automatisierte Bewertung von Prozesszuständen und die Interpretation von Freitext ermöglicht.

Abb.1: BPM im Engineering der digitalen Fabrik, Quelle: FAPS Erlangen

Bild 1: BPM im Engineering der digitalen Fabrik | Quelle: FAPS Erlangen

 

 

KI bindet bei Bedarf menschliche Expertise ein

Während einige Forschungsergebnisse von PDA-RobE bereits veröffentlicht wurden, lässt exentra diese in seine eigene, kommerzielle Plattform „explore“ einfließen. In folgenden Projekten sollen neben Automatisierungen im Modellbasierten Systems Engineering über Workflow-Managementsysteme die LLM nicht nur zur Unterstützung von Prozessen, sondern auch zur Problemlösung durch selbstständige Prozessgenerierung und -ausführung eingesetzt werden. Im Bereich des Incident-Managements soll so die Plattform künftig auf bisher unbekannte Störungen mit maßgeschneiderten Prozessen eigenständig reagieren und geeignete Aktivitäten für Kommunikation, Risikoanalysen, Sofortmaßnahmen oder Dokumentation unter Einbezug der Mitarbeiter auslösen können. Eine spannende Frage bleibt die Rolle des Menschen im Business Process Management der Zukunft, welche das Konsortium wie folgt einschätzt: KI wird innerhalb vorgegebener Prozessrahmen selbstständig Probleme angehen und bei Bedarf an menschlicher Expertise oder Überschreitung der Rahmengrenzen gezielt menschliche Eingriffe einbinden.

 

Abb.2: Stufen der KI-Integration in BPM, Quelle: FAPS Erlangen in Anlehnung an acatech „Industrie 4.0 Maturity Index“

Bild 2: Stufen der KI-Integration in BPM | Quelle: FAPS Erlangen in Anlehnung an acatech „Industrie 4.0 Maturity Index“

 

 


Mehr Informationen 

https://www.faps.fau.de/curforsch/pda-robe-prozessgesteuertes-durchgaengiges-und-automatisiertes-robotik-engineering/


Förderer

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi)

 

Ansprechpartner

Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS)
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Jörg Franke
Institutsleiter
Tel.: +49 9131 85-27569
E-Mail: Joerg.Franke@faps.fau.de 

Marvin Schobert
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel.: +49 162 2039724
E-Mail: Marvin.Schobert@faps.fau.de

 

 


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Business Process Management in der digitalen Fabrik, Quelle: FAPS Erlangen

Bild 1:

BPM im Engineering der digitalen Fabrik | Quelle: FAPS Erlangen

Bild 2:

Stufen der KI-Integration in BPM | Quelle: FAPS Erlangen in Anlehnung an acatech „Industrie 4.0 Maturity Index“

 

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