Muscle-Glove zur hochgenauen Greifunterstützung - Quelle: LaFT

Mensch und Maschine ergänzen sich im Prinzip bestens – gute Sensomotorik, Lernfähigkeit und Flexibilität versus Wiederholgenauigkeit und Ausdauer. Da bietet sich eine Kooperation von Mensch und Technik geradezu an. Exoskelette und andere Assistenzsysteme können einem das Leben deutlich vereinfachen.

Prototyp der Aufstehhilfe - Quelle: LaFT

Foto 1: Prototyp der Aufstehhilfe – Quelle: LaFT

Dezember 2018 – Demographischer Wandel, gestiegene Individualisierung, längere Lebensarbeitszeit: Die Anforderungen an den Menschen steigen in praktisch allen Lebenslagen.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte interdisziplinäre Forschernachwuchsgruppe smartASSIST am Laboratorium Fertigungstechnik (LaFT) der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (HSU) hat rund 15 Unterstützungssysteme von der Sprunggelenksorthese bis zum Greifhandschuh in Kontexten wie Produktion, Logistik, Handwerk und Pflege entwickelt. Darunter sind Systeme aus harten Strukturelementen, wie Aluminiumkomponenten, ebenso wie weiche Textilelemente, zum Beispiel Gurte und Seile. Ziel ist eine Belastung im physiologisch verträglichen Maß, um vor dem Abbau von Muskeln oder degenerativen Veränderungen der Gelenke zu schützen.

Unterstützungssystem Lucy für Tätigkeiten in und über Kopfhöhe - Quelle: LaFT

Foto 2: Unterstützungssystem Lucy für Tätigkeiten in und über Kopfhöhe – Quelle: LaFT

Transdisziplinarität garantiert Technik, die Menschen wirklich wollen

Für anziehbare Systeme ist es von elementarer Bedeutung, dass diese auf die Körpermaße, Bewegungsmuster und Funktionalität des jeweiligen Individuums hin abgestimmt sind. Die Forschergruppe smartASSIST arbeitet deswegen transdisziplinär. An der Entwicklung beteiligen sich Ingenieur-, Bewegungs- und Sozialwissenschaftler/-innen ebenso wie Nutzer-/innen, Stakeholder verschiedener Bereiche sowie Interessensvertreter/-innen und Verbände. So wird sichergestellt, dass die Ausgangssituation mit denWünschen und den resultierenden Belastungen vollständig erfasst und die Unterstützungssysteme akzeptiert und genutzt werden.

In Arbeitskleidung integrierbarer Ansatz auf Basis von Papier-Lamellen-Systeme - Quelle: LaFT

Foto 3: In Arbeitskleidung integrierbarer Ansatz auf Basis von Papier-Lamellen-Systeme – Quelle: LaFT

Unterstützung kann abhängig vom Kontext gemacht werden

Die Hamburger Unterstützungssysteme lassen sich für verschiedene Aktivitäten bzw. Tätigkeiten einsetzen und verfolgen somit unterschiedliche Ziele, wie Entlastung der Mitarbeiter/-innen, Verbesserung der Mobilität, Steigerung der Produktivität oder Reintegration von Mitarbeiter/-innen nach Unfällen oder Erkrankungen. Dabei variiert die unterstützte Körperregion (z.B. untere oder obere Extremitäten, Rücken oder Schultern), die Höhe der Unterstützungsleistung (z.B. Vermeidung von Überlast bis zur umfangreichen Kraftsteigerung) und die Art der Unterstützung (z.B. Kraftstärkung, Kraftumleitung oder Stabilisierung). In der Forschergruppe wurden unterschiedliche Systeme von der Sprunggelenksorthese bis zum Greifhandschuh entwickelt. Beispielhafte Systeme sind in den folgenden Abbildungen zu sehen.

Vom Greifhandschuh bis zur Aufstehhilfe

Das aktive System Lucy (Foto 2) für Tätigkeiten in und über Kopfhöhe unterstützt das Heben des Arms. Neben solchen „auftragenden“ Exoskeletten wurden aber auch Systeme entwickelt, die sich in Arbeits- oder Funktionsbekleidung integrieren lassen. Ein Prototyp für den Oberkörper und obere Extremitäten (Foto 3) nutzt hierfür schichtweise in Beuteln/Kammern integrierte Papierelemente, die je nach Beanspruchung unterschiedlich gestaltet sind. Durch Evakuierung der Kammern lassen sich Elemente versteifen, um die Belastung bei statischen Aufgaben zu reduzieren.

Blindenlangstock mit entwickelter Einheit - Quelle: LaFT

Foto 4: Blindenlangstock mit entwickelter Einheit – Quelle: LaFT

Eine Innovation stellt auch der Muscle Glove mit biomimetischer Struktur zur Unterstützung von Greiftätigkeiten dar (Aufmacherfoto). Durch eine der menschlichen Muskel- und Sehnenstruktur nachempfundenen Gestalt lässt sich eine hohe Greifgenauigkeit realisieren.

Ein häufigeres Problem älterer Personen ist das Aufstehen. Aus diesem Grund entwickelten Jugendliche im TeenLab – einer Universität für Jugendliche an der HSU – eine Aufstehhilfe (Foto 1). Ein besonderer Fokus lag hier auf der Realisierung natürlicher Bewegungsmuster – im Speziellen ein nachgiebiges Gelenk.

Nicht zuletzt entwickelten die Hamburger Jugendlichen aus dem TeenLab eine Orientierungshilfe für den Öffentlichen Personennahverkehr, das eine bessere Integration seheingeschränkter Personen in das öffentliche Leben gewährleisten soll (Foto 4). Sie kann mithilfe aufgenommener Geräusche Türen identifizieren und die Person in Richtung der Tür navigieren. Das Unterstützungssystem lässt sich in handelsübliche Blindenlangstöcke integrieren.

Dass Exoskelette und andere Unterstützungssysteme unterschiedlichste Belastungen reduzieren helfen, ist unstrittig. Wie stark jedoch die Effekte sind, bleibt häufig unklar. Sie lassen sich beispielsweise mit biomechanischen Analysen oder Umfragen erfassen. Diese werden in der Forschergruppe seit Jahren in die Technikentwicklung integriert, sodass ein umfangreiches Wissen hinsichtlich biomechanischer Effekte, Akzeptanz und Usability verfügbar ist.
Zwar sind die genannten Systeme aktuell noch nicht am Markt verfügbar, doch das soll sich in Zukunft ändern.

Beitragsbild: Muscle-Glove zur hochgenauen Greifunterstützung – Quelle: LaFT


Mehr Informationen

www.smartASSIST.info / www.humanhybridrobot.info
www.laft-hh.de
https://www.uibk.ac.at/mechatronik/fertigungstechnik/

Förderer

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Ansprechpartner

Laboratorim Fertigungstechnik (LaFT)
Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg

Prof. Jens P. Wulfsberg
Tel.: +49 40 6541 2720
E-Mail: Jens.Wulfsberg@hsu-hh.de

Robert Weidner
Wahrnehmung der Professur
Tel.: +49 40 6541 3342
E-Mail: Robert.Weidner@hsu-hh.de
zudem Professur für Fertigungstechnik, Institut für Mechatronik, Universität Innsbruck, Robert.Weidner@uibc.ac.at