Bild2: Energiemessung an Werkzeugmaschine | Quelle: Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb), TU München

In einem Mammutprojekt bereitet sich die Industrie auf die Versorgung über erneuerbare Energien vor. Mit einem Anteil von 44 % am deutschen Nettostrombedarf kann sie mit diesem Hebel die Energiewende maßgeblich mitgestalten.

Dezember 2019 – Die Energiewende in Deutschland führt zu Veränderungen, die immer wieder auf Widerstände treffen. Es werden sowohl die Stromtrassen und die Windräder als auch die Solaranlagen kritisiert. Aber nicht nur im landschaftlichen Bereich kommt es zu Schwierigkeiten. Die erneuerbare Energieversorgung führt auch Stromnetze an ihre Grenzen, sodass ein regionaler Ausgleich zwischen Energieangebot und Nachfrage geschaffen werden sollte.

10 Mio Euro jährlich

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 10 Mio. Euro pro Jahr geförderten Kopernikus-Projekt SynErgie wird erforscht, wie die Industrie mit der fluktuierenden Energieversorgung umgehen kann. Grundsätzlich geht es um den Verbrauch von Energie, wenn sie zur Verfügung steht, und um das Energieeinsparen, wenn gerade weniger Strom durch die erneuerbaren Stromwandler erzeugt wird. Das Forschungsprojekt beschäftigt sich seit mehr als drei Jahren gemeinsam mit derzeit über 80 assoziierten und geförderten Partnern mit technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen zur Energieflexibilität. Hierbei werden die Bereiche energieintensive Industrie, Produktionsinfrastruktur, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Markt- und Stromsystem betrachtet. Ergänzend werden in einem lokalen Kontext alle Akteure in der energieflexiblen Modellregion Augsburg zusammengebracht.

Bild1: Struktur und Ziele des Kopernikus-Projekts SynErgie | Quelle: Projektkoordinator SynErgie

Bild1: Struktur und Ziele des Kopernikus-Projekts SynErgie | Quelle: Projektkoordinator SynErgie

Konkrete Einsparungen und Ausgleiche

Der Abschlussbericht der Modellregion Augsburg zeigt unter anderem auf, wo die Herausforderungen für eine energieflexible Modellregion liegen, wie die energieflexible Fabrik ein Hebel für den Klimaschutz sein kann, wie die Stakeholder miteinander ins Gespräch gebracht werden und wie die Übertragung der Ergebnisse auf andere Regionen gelingt. Es wurde ermittelt, dass der Strombedarf in der Modellregion von 2017 bis 2050 um 24 % sinkt und gleichzeitig ein starker Zubau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen auf 2.100 GWh stattfinden wird. Der Stromverbrauch kann somit bilanziell deutlich besser aus der Modellregion gedeckt werden. Durch den Zubau der erneuerbaren Energiewandler wird jedoch auf einer zeitlich aufgelösten 15 Minuten-Ebene ersichtlich, dass die Schwankungen der Residuallast im Sommer 2050 bis zu 700 MW sein können. Es wurden bei Unternehmen aus den Bereichen Gießerei von Eisen, Graphitherstellung und Papierindustrie jeweils zwischen 6 und 35 MW Leistung ermittelt, die über unterschiedliche Zeiträume verschoben werden könnten und somit den entstehenden Residuallasten entgegenwirken. (vgl. Energieflexibilität in der Deutschen Industrie, 2019)

Technische Lösungen geschaffen

Zudem wurden unter Leitung von Prof. Eberhard Abele, Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt, technische Lösungen für Querschnittstechnologien erarbeitet. Die betrachteten Technologien umfassten Anlagen und Komponenten der Produktionsinfrastruktur, welche die Versorgung der Hauptprozesse gewährleisten. Elektrische, hydraulische, pneumatische, thermische und mechanische Energiespeicher und -wandler wurden mithilfe von Steckbriefen einheitlich beschrieben und in einer Technologiematrix übersichtlich eingeordnet und verglichen. Unter Berücksichtigung verschiedener Zielgrößen, wie beispielsweise der Energiekosten, wurden Betriebsstrategien für einzelne Technologien entwickelt und getestet. Anwendungsfälle aus dem Industrieumfeld, wie die Versorgung einer spanenden Fertigung mit einer zentralen Kühlschmierstoff-Anlage, die Prozessdampferzeugung oder klimatisierte Räume in der Lebensmittelindustrie, dienten dem Transfer und der Validierung der identifizierten Energieflexibilitätsmaßnahmen.

Die Testergebnisse der Industriebeispiele aus der Produktionsinfrastruktur zeigen in ihrer Diversität auch die Vielseitigkeit der eingesetzten Technologien: Die Kühlschmierstoff-Anlage kann eine Lastreduktion von 6,75 kWh über einen Zeitraum von wenigen Minuten halten, bei einer Anlage zur Prozessdampferzeugung hingegen wurde die Möglichkeit gefunden, 10 MW über zwei Stunden zu flexibilisieren (vgl. Energieflexibilität in der Deutschen Industrie, 2019).

In der zweiten, im November 2019 gestarteten Phase des Kopernikus-Projekts wird der Fokus weiter in Richtung Umsetzung wandern. Es sollen ein durchgängiger Informationsfluss umgesetzt, Potenziale der Energieflexibilität an konkreten Anlagen gehoben und die energieflexible Steuerung ermöglicht werden.

Wenn dann auch die regulatorischen und preislichen Rahmenbedingungen wie die Voraussetzungen zur Beteiligung am Regelenergiemarkt den neuen Herausforderungen angepasst haben, ist die deutsche Produktionstechnik bestens vorbereitet, um flexibel die schwankende Stromversorgung zu meistern.

Beitragsbild: Energiemessung an Werkzeugmaschine | Quelle: Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb), TU München


Mehr Informationen

Kopernikus Projekt SynErgie
www.kopernikus-projekte.de/projekte/industrieprozesse

iwb der TUM
www.iwb.mw.tum.de

Förderer

Die Autoren bedanken sich herzlich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die finanzielle Unterstützung und beim Projektträger Jülich (PtJ) für die Betreuung des Kopernikus-Projektes SynErgie (03SFK3E1).

Ansprechpartner

Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb)
Technische Universität München

Prof. Michael F. Zäh
Institutsleiter
Tel.: +49 89 289 15501
E-Mail: info@iwb.mw.tum.de

Valerie Scharmer
Projektleiterin
Tel.: +49 89 289 15458
E-Mail: valerie.scharmer@iwb.mw.tum.de