Konventionelle Zerspanung als Ausgangspunkt für die Erforschung neuer Ansätze zur Entwicklung intelligenter Prozesse | Quelle: wbk Institut für Produktionstechnik

Aachener Forscher arbeiten an einem modular aufgebauten Antriebsstrang für klimafreundliche und wirtschaftliche Fahrzeuge des Gütertransports in unterschiedlichsten Szenarien des Verteilerverkehrs.

Dezember 2019 – Verkehr und Transport sind zweitgrößter Verursacher schädlicher CO2-Emissionen und tragen maßgeblich zur NOx-Gesamtemission bei. Der Güterverkehr und insbesondere der stetig wachsende Verteilerverkehr nehmen hierbei einen signifikanten Anteil ein. Als Lösungsansatz für klimafreundliche Logistik gilt es, elektrische LKW der Fahrzeugklasse N2/N3 zu entwickeln. Gleichzeitig sollen die Fahrzeuge hinsichtlich der Lebenszykluskosten eine wirtschaftliche Alternative für Flottenbetreiber darstellen.

Vier Forschungsziele

Mit dem Projekt LiVe wollen Aachener Wissenschaftler einen Baukasten für modulartig zusammensetzbare Antriebsstränge entwickeln. Im Fokus stehen dabei die unterschiedlichen Kundenbedarfe, wobei auch Kostenfaktoren berücksichtigt werden. Der Baukasten, der für verschiedenen Nutzungsszenarien angewendet werden kann, vom innerstädtischen Verteilerverkehr bis zum überregionalen Transport, wird anhand von Prototypen demonstriert. Dafür werden die Fahrzeuge mit drei verschiedenen Arten der Energiebereitstellung (Batterie, Brennstoffzelle und Pantograph) ausgestattet. Weiterhin wird ein neuer Industrialisierungsansatz zur kostengünstigen Herstellung eines solchen modularen Antriebstrangbaukastens erforscht.

1. Entwicklung modularer Antriebsstränge

Im Mittelpunkt der Forschungen steht die Entwicklung eines modularen Antriebsstrangkonzeptes. Hierzu erstellen die Aachener zunächst ein für alle Fahrzeuge gültiges Antriebsstrangkonzept, aus dem sie dann verschiedene Antriebsstrangtopologien für die unterschiedlichen Kundenbedarfe ableiten. Bei der Entwicklung des Gesamtkonzepts werden dabei Produkt- und Prozessentwicklung gleichermaßen berücksichtigt. Eine Herausforderung bei Baukästen für Antriebsstränge ist die Entwicklung der mechanischen, elektrischen und thermischen Schnittstellen zwischen den Komponenten des Antriebsstranges und der Nebenaggregate, die möglichst für alle Fahrzeuge gleich gestaltet werden sollen. So müssen beispielsweise lediglich die Brennstoffzelle und der Pantograph im jeweiligen Fahrzeug separat an das Thermomanagement angebunden werden.

2. Flexible Produktion verschiedener Fahrzeugvarianten in einer Linie

In der Produktionsplanung liegt der Fokus auf investitionsarmen Fertigungstechnologien mit hohen Individualisierungspotenzialen. Dabei wurden zunächst die Anforderungen an Fabrikinfrastruktur und Montage definiert. Darauf folgt die Planung möglichst standardisierter Montageprozesse zur Realisierung der verschiedenen Antriebsstrangtopologien in einem Produktionssystem. Schließlich wird das Produktionskonzept hinsichtlich logistischer Zielgrößen, wie der Anordnung der Montagestationen in der Produktion, optimiert. Dazu wurde eine Brownfield-Planung auf Basis eines bestehenden Werkes, sowie eine Greenfield-Planung für das Szenario eines Neubaus umgesetzt.

3. Skalierbare Batterien

Die Batterie ist zentraler Teil des modularen Antriebskonzeptes. Aus den Anforderungen an die verschiedenen Anwendungsfälle im Verteilerverkehr und aus den unterschiedlichen Grundarchitekturen des Antriebsstrangs mit der Anbindung von Brennstoffzelle und Pantograph, ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Batterie flexibel auszulegen. Einerseits sollen die elektrischen Eigenschaften (Kapazität, Strom, Spannung) der Batterie variabel sein, um das Batteriesystem auf den jeweiligen Anwendungsfall hin auszurichten. Andererseits soll die Batterie möglichst nachhaltig sein, weshalb sie zum Recycling und Remanufacturing befähigt werden soll. Hierzu wurde bereits ein 400 V-Batteriesystem bestehend aus drei Batteriepacks entwickelt, was sich derzeit im Aufbau befindet. Parallel dazu wird ein 800 V-Batteriesystem für die weiteren Fahrzeuge entwickelt und dessen Aufbau geplant.

4. Stückzahlangepasster Werkzeugbau für prototypische Bauteile

Die aktuell geringen Stückzahlen von E-LKW und der prototypische Aufbau ihres Batteriesystems erfordern eine Komponentenfertigung mit niedrigen Investitionskosten. Beispielsweise werden Zellhalter für Stromschienen in Batterie und Abdeckkappen nur in geringer Stückzahl benötigt. Ein Lösungsansatz zur investitionsarmen und schnellen Herstellung von Kleinserienbauteilen ist die Verwendung von additiv gefertigten, polymerbasierten Formwerkzeugen. Im Vergleich zum direkten 3D-Druck solcher Bauteile können so Limitationen bezüglich des Materials und der Produktivität des Verfahrens vermieden werden. Die Herstellung der Abdeckkappen sowie der Machbarkeitsnachweis für die Herstellung prototypischer Zellhalter konnten bereits erfolgreich durchgeführt werden.

Ausblick

Im Jahr 2020 werden alle Fahrzeuge, inklusive Batteriesysteme, Brennstoffzelle, Pantograph und Nebenaggregate, umgerüstet und integriert. Durch den Aufbau der Fahrzeuge soll der modulare Ansatz der Produkt- und Prozessgestaltung in der Montage validiert werden. In praxisnahen Szenarien soll nachgewiesen werden, dass die Lebenszykluskosten im elektrischen Verteilerverkehr durch den Einsatz der Fahrzeuge reduziert werden können, um damit die Relevanz der Forschungsergebnisse darzustellen.

Beitragsbild: Konventionelle Zerspanung als Ausgangspunkt für die Erforschung neuer Ansätze zur Entwicklung intelligenter Prozesse | Quelle: wbk Institut für Produktionstechnik


Mehr Informationen

Forschungs- und Projektpartner:

  • Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen
  • Isuzu Motors Germany GmbH
  • Ein großes deutsches Logistikunternehmen
  • Deutscher Hersteller für leichte Nutzfahrzeuge

Laufzeit: 01.09.2017 – 31.08.2020

Förderer

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)
Stresemannstraße 128 – 130
10117 Berlin

BMU Förderprogramm Erneuerbar Mobil:
www.erneuerbar-mobil.de

Projektträger: VDI/VDE Innovation + Technik GmbH

Ansprechpartner

Werkzeugmaschinenlabor WZL, Cluster Produktionstechnik
RWTH Aachen University

Prof. Günther Schuh
Tel.: +49 241 80 27400
E-Mail: g.schuh@wzl.rwth-aachen.de

Josef Abrams
Projektleiter
Tel.: +49 151 53555305
E-Mail: j.abrams@wzl.rwth-aachen.de