Bild 2: Entwicklungskette vom ersten Entwurf bis zum finalen Bauteil mit der Hilfe eines bidirektionalen digitalen Zwillings | Quelle: Neue Materialien Fürth GmbH & Salzgitter AG

Produkte sollen immer schneller, individueller, ressourcenschonender und kostengünstiger hergestellt werden. Mithilfe eines Digitalen Zwillings gelingt dies im Karosseriebau: Die Risswahrscheinlichkeit des Blechs sinkt um 30% und gleichzeitig werden 2 kg Gewicht und 4 kg CO2 pro Bauteil in der Herstellung eingespart.

 

Dezember 2024 Der effiziente Einsatz von Energie und Ressourcen bei sinkenden Kosten bleibt eine Herausforderung, eröffnet jedoch gleichzeitig große Chancen, flexiblere, schnellere und ressourcenschonende Produktionsmethoden zu entwickeln. Vor allem in langen Fertigungsketten bieten digitale Methoden, wie der Einsatz eines Digitalen Zwillings, ganzheitliche Ansätze, um anspruchsvolle Aufgaben effektiv und nachhaltig zu lösen. Ein Beispiel für eine herausfordernde Fertigungskette ist die Entwicklung und Auslegung von Tailor Welded Blanks (TWBs) im Karosseriebau.


Verkürzte Entwicklungsdauer bei erhöhter Bauteilqualität

TWBs sind Halbzeuge, die aus verschiedenen Blechzuschnitten zusammengeschweißt werden, bevor durch Umformung das gewünschte Bauteil hergestellt wird. Dabei können Bleche unterschiedlicher Stärke, Materialien oder Beschichtungen verbunden werden. In der Automobilindustrie ermöglichen TWBs, einzelne Bauteilbereiche beanspruchungsgerecht anzupassen. Besonders hohe Leichtbaupotenziale bieten TWBs aus hochfestem Stahl, da durch die höhere Festigkeit bei gleichem Insassenschutz die Blechdicke der Bauteile reduziert werden kann. Zusätzlich zur Gewichtsreduktion des Autos wird dadurch Material in der Herstellung eingespart. Allerdings ist die industrielle Fertigung von TWBs herausfordernd: Durch das Schweißen der Bleche verändern sich Materialeigenschaften, was während der späteren Umformung zum Versagen im Bauteil führen kann.

Ein digitaler Zwilling der gesamten Herstellungskette erlaubt es, die Entwicklungsdauer zu verkürzen, den Ressourceneinsatz zu reduzieren und die Bauteilqualität zu erhöhen. Ziel ist es, ein digitales Abbild der Produktionsprozesse zu schaffen, um mit geringem Material-, Transport- und Energieverbrauch Informationen über die Produktionsprozesse zu gewinnen und gleichzeitig Ausschuss und überflüssige Experimente zu vermeiden. Dabei wird ein datengetriebener Ansatz verfolgt, der Design, Prozessparameter und anschließende Produktion optimal aufeinander abstimmt. Die drei Hauptschritte in unserem Beispiel der TWB-Produktion umfassen die Materialherstellung, das Laserschweißen und die Umformung zum finalen Bauteil.

Bild 1: Automatisierter Datenaustausch zwischen zwei artfremden Simulationen als Kern des bidirektionalen digitalen Zwillings | Quelle: Neue Materialien Fürth & Fraunhofer IPK

Bild 1: Automatisierter Datenaustausch zwischen zwei artfremden Simulationen als Kern des bidirektionalen digitalen Zwillings | Quelle: Neue Materialien Fürth & Fraunhofer IPK


Bidirektionaler Digitaler Zwilling erspart physische Tests

Durch die Finite-Elemente-Simulation lassen sich die Produktionsschritte Laserschweißen und Umformen digital abbilden und mit einer Blockchain-basierten Plattform manipulationssicher miteinander verknüpfen. Die Plattform dient hierbei als zentraler Austauschpunkt für Datensätze beider Simulationen. Dank der bidirektionalen Datenübertragung können Parameteroptimierungen effizient und ohne physische Tests durchgeführt werden. In der Produkt- und Prozessentwicklung wird Material lediglich zur Charakterisierung der Materialeigenschaften und zur Validierung der einzelnen Ausgangssimulationen benötigt. Die Optimierung von Werkzeug-, Umform- und Schweißparametern erfolgt in iterativen, digitalen Prozessen, bis die Qualitätskriterien erfüllt und Material- und Energieverbrauch minimiert sind.

In der Realität ist es nicht immer möglich, alle Zielindikatoren vollständig zu optimieren; daher muss ein bestmöglicher Kompromiss gefunden werden. Die Fülle an erarbeiteten, gespeicherten und aufbereiteten Daten ermöglicht dennoch eine detailgenaue und optimierte Prozessgestaltung. Die präzise Prozesssteuerung und Simulation reduzieren Material- und Energieverbrauch durch geringeren Ausschuss und steigern die Produktionseffizienz. Die Blockchain-Technologie sorgt für vollständige Transparenz entlang der Wertschöpfungskette und dokumentiert alle Produktionsschritte und Daten nachvollziehbar. Dies erleichtert die Qualitätssicherung und stellt die Einhaltung von Standards und Vorgaben sicher.

Durch die gezielte Anwendung des bidirektionalen Digitalen Zwillings konnten die Qualitätsmerkmale des Karosseriebauteils wie die Ausdünnung des Blechs durch die Umformung um 40 % reduziert werden, wodurch die Risswahrscheinlichkeit ebenfalls um 30 % gesunken ist. Weiterhin konnten durch die Implementierung des bidirektionalen digitalen Zwillings in Kombination mit der Verwendung eines TWBs aus hochfestem Stahl 2 kg Gewicht und 4 kg CO2 pro Bauteil in der Herstellung eingespart werden.

 


Mehr Informationen

Neue Materialien Fürth – Eine Landesforschungseinrichtung des Freistaates Bayern

Umformtechnik – Neue Materialien Fürth

Technologie – Neue Materialien Fürth


Förderer

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Technologietransfer-Programm Leichtbau

 

Ansprechpartner

Lehrstuhl für Fertigungstechnologie (LFT)
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Marion Merklein
Institutsleiterin
Tel.: +49 9131 8527138
E-Mail: marion.merklein@fau.de

 

Neue Materialien Fürth GmbH

Wolfgang Böhm
Gruppenleiter Umformtechnik Metalle
Tel.: +49 911 76672 -24
E-Mail: wolfgang.boehm@nmfgmbh.de

Joshua Weber
Projektingenieur
Tel.: +49 911 76672 -53
E-Mail: joshua.weber@nmfgmbh.de

 

 


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