Frei verkettete Montagesysteme ermöglichen Unternehmen eine Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch schnelle Anpassung an sich ändernde Bedingungen und verbesserte Auslastung ihrer Produktion. Kern dieser Organisationsform ist die individuelle Auftragsroute, welche für jedes einzelne Produkt eine flexible Montageabfolge ohne zeitliche oder räumliche Restriktionen ermöglicht. WGP-Wissenschaftler entwickeln derzeit im Projekt freeMoVe die erforderlichen intelligenten Leit- und Informationssysteme für die Auftragssteuerung und die Einbindung des Menschen.
August 2017 – Veränderliche Absatzerwartungen, kürzere Produktlebenszyklen, steigende Produktvarianz: Produzierende Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Produktion kontinuierlich an diese und weitere dynamische Rahmenbedingungen anzupassen. Beispielhaft zeigt sich dies am Auto, welches heute einen mittleren Produktlebenszyklus von lediglich vier Jahren aufweist. Innerhalb der komplexen Produktionssysteme ist insbesondere die Montage als Ort der Variantenbildung besonders stark betroffen. Klassische Montageorganisationsformen wie beispielsweise die Linienmontage, bei welcher ein Produkt in einer definierten Prozessfolge auf miteinander starr verketteten Stationen montiert wird, stoßen hier aufgrund ihres trägen und unflexiblen Aufbaus an ihre Grenzen.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts freeMoVe entwickeln daher das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT gemeinsam mit führenden Industrieunternehmen eine neue Organisationsform für wandlungsfähige und hochvariante Montage. Diese ermöglicht eine schnelle Anpassung an geänderte Einflussfaktoren sowie die Montage kundenindividueller Produkte bis zur Losgröße 1. Grundbedingung für diese neue Form eines Montagesystems ist die Möglichkeit, sowohl den Bearbeitungsort als auch die Montagereihenfolge für jedes Produkt individuell festzulegen – die sogenannte Auftragsroute.
Dezentrales Leitsystem zur Auftragssteuerung
Jede Produktvariante erhält einen Grundbauplan, welcher bei Ausführung für jedes Bauteil zu einem konkreten Fahrplan durch das Montagesystem ausgestaltet wird. Auf diese Weise kann sich das Produkt selbstständig seinen individuellen Weg durch die benötigten Stationen suchen, abhängig von der Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit einzelner Ressourcen. Zum Zweck der Erweiterung der Funktionalitäten oder zur Überbrückung von Auslastungsspitzen lassen sich weitere Montagemodule einfach durch plug and produce integrieren, indem der jeweilige Softwareagent die Dienste im System anmeldet. Das Leitsystem übernimmt dabei die Aufgabe einer effizienten Verteilung der zu montierenden Produkte auf alle verfügbaren Ressourcen
So weiß zum Beispiel ein Auto, das auf einem autonomen Flurförderfahrzeug durch die Montagehalle gefahren wird, dass es als nächstes eine Sitzheizung eingebaut bekommt. Die entsprechende Station signalisiert, dass sie in 15 Minuten diese Aufgabe durchführen kann. In der Zwischenzeit wird das Auto durch das Leitsystem zu einer anderen Station zu einer anderen Aufgabe geleitet.
Einbindung der Mitarbeiter
Intelligente Endgeräte, wie z.B. Mobiltelefone, Uhren, Tablets oder Smart Glasses stellen Informationen aus dem Leitsystem kontextgerecht den Mitarbeitern zur Verfügung. So erhalten diese alle Informationen über den kompletten Produktionsprozess: Wo befindet sich gerade welches Bauteil? Sind alle Teilprodukte vorrätig und wird der Auftrag rechtzeitig abgearbeitet? Diese und weitere Informationen werden so bereitgestellt, dass die Mitarbeiter bei Bedarf in den Prozess eingreifen können. Auch Montageanleitungen für die zahlreichen Produktvarianten erhält der Mitarbeiter bei Bedarf.
Die organisatorischen Grundlagen, die im Rahmen des Forschungsprojektes freeMoVe geschaffen werden, unterstützen bei der Planung und der Steuerung frei verketteter Montagesysteme. Es werden Gestaltungsempfehlungen geschaffen, die ein optimales Layout sowie die Verteilung der Arbeitsinhalte auf die Montagemodule beinhalten.
Beitragsbild: Fraunhofer IPT
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Förderer
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ (Förderkennzeichen: 02P15A146 und 02P15A140). Betreuung: Projektträger Karlsruhe (PTKA).
Ansprechpartner
WZL Werkzeugmaschinenlabor, RWTH Aachen
Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement
Guido Hüttemann – Koordinator freeMoVe –
Tel. +49 241 80 20570
Mail: g.huettemann@wzl.rwth-aachen.de
Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt
Tel. +49 241 80 20283
Mail: r.schmitt@wzl.rwth-aachen.de
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
Dennis Grunert
Tel. +49 241 8904 376
Mail: dennis.grunert@ipt.fraunhofer.de