Bildquelle: StockPhotoPro - Fotolia.com

Der Kampf um die besten Köpfe geht auch an der  Produktionstechnik nicht vorbei. Aus diesem Grund formulierten die rund 40 Mitglieder der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) –dem Zusammenschluss führender deutscher Professoren in diesem Bereich – auf der diesjährigen Frühjahrstagung vom 11. bis 13. Mai in Baden-Baden konkrete Maßnahmen, um mehr junge Talente für Forschung und Entwicklung zu gewinnen.

 

Die fachliche Ausbildung an deutschen Universitäten ist im internationalen Vergleich sehr gut. Das bestätigte Matthias Klumpp, Vice President Human Resources bei der Robert Bosch GmbH. Dennoch berichteten die WGP-Professoren von veränderten Ansprüchen der sogenannten Generation Y an ihren Arbeitsplatz. Das Ziel der Frühjahrstagung war aus diesem Grund, die Bedürfnisse der jungen Menschen zu bestimmen und die Organisation an den Forschungsinstituten wo möglich darauf abzustimmen.

 

Shell-Jugendstudie bestätigt Erfahrungen an den  Instituten
Die Hoffnungen und Ansprüche junger Menschen bezüglich ihrer beruflichen Laufbahn zeigt die im vergangenen Herbst veröffentlichte 17. Shell-Jugendstudie auf. Im Vergleich zu vorherigen Studien belegt sie, dass junge Menschen wieder wachsendes politisches und gesellschaftliches Interesse zeigen. „Sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und sich zu engagieren – auch wenn man davon in den Medien nichts hört“, betonte Dr. Thomas Gensicke, Gensicke Sozialforschung München, der die Studie auf der WGP-Frühjahrstagung vorstellte. „Die Generation Y identifiziert sich mit Deutschland, einem wirtschaftlich starken Land, dessen Produkte in der ganzen Welt begehrt sind. Dahinter stehen sie voll“, formulierte er. „Technik ist in, und Karriere ist es auch.“ Ein solches Meinungsbild ist eine gute Voraussetzung für eine Karriere in der Produktionstechnik – sofern auch andere Bedürfnisse der Nachwuchswissenschaftler beachtet werden.
Dazu zählt vor allem das Bedürfnis nach einem sicheren Arbeitsplatz  – es steht bei 70% aller Befragten an erster Stelle. Aber auch der Anspruch, eigene Ideen einzubringen (58%) und „etwas Sinnvolles“ tun zu können (51%), ist jungen Menschen wichtig. Während ein hohes Einkommen erst an achter Stelle der Wunschliste steht, legten bei allem Engagement immerhin 48% ebenfalls großen Wert auf eine ausreichende Balance zwischen Arbeit und Privatleben.  Diese Studienergebnisse decken sich mit den Erfahrungen, die die WGP-Professoren an ihren Instituten machen.

 

Begleitung stärken
Die an Universitäten ausgeschriebenen Stellen zeichnen sich in der Regel nicht durch sichere Arbeitsplätze mit klaren Karrieremöglichkeiten in der Forschung aus. „Doktoranden haben nur eine 5-prozentige Wahrscheinlichkeit, eine Professur an der Universität zu besetzen“, rechnete Prof. Matthias Kleiner von der Leibniz-Gemeinschaft vor. „80 Prozent werden außerhalb der Forschung tätig. Wir müssen den jungen Menschen daher ein frühes und klares Signal geben, dass sie auch über andere als die akademische Karriere nachdenken sollten. Denn schließlich geben wir ihnen auch alle notwendigen Qualifikationen für Karrierepfade außerhalb der Universität mit auf den Weg.“
Hilfreich ist aus diesem Grund eine frühzeitige Begleitung der Generation  Y, auch um junge Talente ausfindig zu machen. Ein den Studierenden zur Seite gestellter Mentor könnte mögliche Karriere-Perspektiven binnen zwei bis drei Jahren einschätzen. Die Förderung besonders talentierter Forscher sollte dabei so früh wie möglich, im besten Fall schon während des Bachelor- oder Masterstudiums beginnen. Angebote geeigneter Abschlussarbeiten ermöglichen den Talenten dann eine Laufbahn am Lehrstuhl. Interne Personalberatungen können Perspektiven innerhalb des Instituts, aber auch für die Zeit danach aufzeigen. Die Tagung machte deutlich, dass solche Beratungen in nur wenigen Instituten stattfinden, jedoch von den Mitarbeitern sehr gut angenommen werden.

 

Sicherheit steigern
Berufliche Sicherheit an den Hochschulen sei für den Nachwuchs gleichbedeutend mit Promotionssicherheit. „Die Dissertation ist die Motivation zu kommen und zu bleiben – mehr als die finanzielle Sicherheit“, meinte Prof. Dr. Robert Schmitt vom Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. Er führte die Arbeitsgruppe „Fit für die Generation Y und Z“.
Mehr Planbarkeit und damit Sicherheit für die jungen Forscher kann ein Fahrplan für die Durchführung der Dissertation schaffen, der eine strukturierte Führung erlaubt. Hilfreich ist auch ein monatlich einzuplanender „Diss-Tag“, an dem sich die Doktoranden voll und ganz ihrer Arbeit widmen können, ohne in Forschungsprojekte eingebunden zu sein. In Doktorandenseminaren stellen die Nachwuchswissenschaftler ihre Fortschritte den Kollegen vor. Ein Promotionsbarometer enthält die verschiedenen Schritte bis zur Promotion und zeigt den jeweils aktuellen Stand der Abschlussarbeit an.

 

Selbstständigkeit fördern
„Da die junge Generation globaler denkt, müssen wir an den deutschen Universitäten schon heute den Studierenden konkrete Perspektiven bieten. Dazu zählt auch, dass wir die Selbstständigkeit in der Forschung fördern“, betonte Prof. Abele, Präsident der WGP. Die Produktionswissenschaftler formulierten in Baden-Baden daher als eine wichtige Maßnahme, das Arbeiten in Gruppen zu fördern, in denen jeder Verantwortung übernehmen kann, gleichzeitig jedoch Leistungsvereinbarungen zwischen Professor und Mitarbeitern getroffen werden. Solche Gruppengespräche, in denen in größerer Runde über Forschungsprojekte diskutiert wird, erwiesen sich bereits an einigen WGP-Instituten als hilfreich, die Motivation der nachkommenden Generation zu steigern, da sie dem starken Bedürfnis der Jungen nach Kommunikation und Austausch entgegen kommen. Projekte auch in kleineren Gruppen oder in individuellen Gesprächen zu besprechen, ist nach Einschätzung einiger Lehrstuhlleiter ebenfalls eine sinnvolle, wenn auch zeitintensive Maßnahme.
PostDoc-Stellen müssen zudem vermehrt mit der Möglichkeit eigener Veröffentlichungen und eigener DFG-Anträge verbunden werden. Selbstbestimmtes Forschen lässt sich etwa durch die Nutzung von Förderprogrammen wie ERC Starting Grant, GRK/GRS oder auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Emmy-Noether-Gruppen und Graduiertenkollegs vorantreiben. In den Ingenieurswissenschaften werden solche Angebote noch nicht ausreichend genutzt, so das Credo auf der Frühjahrstagung.
Tenure Tracks zur Förderung einer akademischen Laufbahn hingegen könnten „in den Ingenieurswissenschaften zu einer gewissen Isolation führen, weil sie nicht gekoppelt sind an Wirtschaft und Industrie. Das ist in den USA zu beobachten“, warnte Kleiner. Die geplanten 1.000 zusätzlichen Tenure-Track-Professuren, die im Rahmen des Bund-Länder-Programms für den wissenschaftlichen Nachwuchs am 20. Mai 2016 beschlossen wurden, sind damit nicht allein die Lösung der Nachwuchsprobleme. „Vielmehr ist in Kooperation mit Industrie und Politik ein Modell der Nachwuchsförderung zu erarbeiten, das die Interessen und Bedürfnisse beider Seiten, sowohl der Hochschulen als auch der Universitäten, berücksichtigt und attraktiv ist für junge Wissenschaftler der Produktionswissenschaften“, meint Prof. Dr. Marion Merklein, Leiterin des Lehrstuhls für Fertigungstechnologie (LFT) der Universität Erlangen-Nürnberg.

Die renommierten Wissenschaftler beschlossen auf der Frühjahrstagung als nächsten Schritt, die junge Generation selbst zu befragen. Geeignete Fragebögen werden mit Hilfe eines Psychologen erarbeitet.  Auf der Herbsttagung am 9. und 10. November soll dann die Sammlung konkreter Maßnahmen zur Nachwuchsförderung an deutschen Lehrstühlen der Produktionstechnik abgeschlossen werden und den Instituten als Basis für mögliche Anpassungen dienen.

Bild: StockPhotoPro – Fotolia.com

als

als

Pressemeldung als pdf herunterladen