Hannover, 13. Mai 2019 – Die führenden produktionstechnischen Professoren Deutschlands haben beschlossen, die Entwicklung klimaneutraler, in die Region und ein kreislaufwirtschaftliches System eingebundener Fabriken voranzutreiben. „Es gibt schon viele, sehr gute Ansätze, unsere Industrie umweltverträglicher zu machen. Bislang ist es jedoch nicht gelungen, all diese erfolgversprechenden Initiativen zu bündeln und einen grundsätzlichen Wandel hin zu einem ressourcenschonenden und sozial verträglichen System umzusetzen“, beschreibt Prof. Berend Denkena, Präsident der WGP und Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover auf der WGP-Frühjahrstagung das Problem. „Uns ist klar, dass unsere Initiative nur dann erfolgreich sein wird, wenn ein Paradigmenwechsel gelingt, weg von der rein gewinnorientierten Produktionswirtschaft hin zu einem gesellschaftlich und ökologisch verträglichen Produktionssystem.“
Seriöses Fundament schaffen
Das geht nicht, ohne die ein oder andere unangenehme Wahrheit auszusprechen und Konsequenzen daraus zu ziehen, die unser aller Leben betreffen. „Wir dürfen diese Konflikte aber nicht scheuen und müssen die Dinge endlich in die Hand nehmen“, betont Denkena. „Das fordert unsere nachkommende Generation aktuell deutlicher denn je.“
Beispiele für nachhaltige Produktion gibt es bereits viele und immer mehr Unternehmen sind bereit, sich für den Umweltschutz zu engagieren. „Die Unternehmen Bosch und Siemens, die bis 2020 bzw. 2030 komplett klimaneutral produzieren wollen, sind nur die Spitze eines Eisbergs“, meint Denkena.
Die WGP hat auf ihrer Tagung vom 8. bis 10. Mai 2019 in Hannover beschlossen, einen Beitrag dazu zu leisten, die zahllosen Einzelinitiativen auf Stadt-, Region- und Systemebene zu skalieren, um produzierende Unternehmen in das gesellschaftliche Gesamtkonstrukt einzubinden. „Wir haben es dabei mit einer extrem komplexen Themenlandschaft zu tun“, erläutert Prof. Wolfram Volk, Leiter des WGP-Wissenschaftsausschusses und des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen (utg) der TU München. „Stichwörter sind CO2-Besteuerung bzw. -Incentives wie sie beispielsweise die Deutsche Bahn ihren Lokführern für Ressourcen schonende Fahrweisen gewährt. Aber auch urbane Produktion, Regionalität, Produktlebenszeit, Kreislaufwirtschaft oder auch wasserstofforientierte Produktion – um nur einige zu nennen – gehören in den Betrachtungshorizont.“
Zu all diesen Schlagwörtern gibt es bereits sehr umfangreiches theoretisches und praktisches Wissen aus verschiedensten Quellen. „Eine der wichtigsten hierbei ist das IPCC, das Intergovernmental Panel on Climate Change“, präzisiert Volk. „Bevor wir als WGP mit konkreten Maßnahmen starten, müssen wir uns ein umfassendes Bild vom derzeitigen Wissensstand machen. Nur dann können wir seriös handeln, Fehlinterpretationen vermeiden und Stellhebel definieren, an denen wir unser produktionstechnisches Umsetzungs-Know-how einbringen können.“
In Hannover wurde aus diesem Grund beschlossen, dass der WGP-Wissenschaftsausschuss zeitnah ein Konzept zur strukturierten Datenrecherche und -sammlung erarbeitet. „Das Themenfeld hat im Wissenschaftsausschuss eine sehr hohe Priorität. Bei unserer nächsten Sitzung im August werden wir das Konzept beschließen und allen WGP-Kollegen und natürlich der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen“, so Volk. „Auf der WGP-Herbsttagung im kommenden November können wir dann operativ tätig werden.“
Erste konkrete Maßnahme mittels neuer Medien
Als eine wichtige Zielgruppe definierten die Hochschullehrer ganz bewusst auch Studierende – also diejenige gesellschaftliche Gruppe, auf die sie einen direkten Einfluss haben. So sollen den Multiplikatoren von morgen studentische Abschlussarbeiten zum Thema angeboten werden, um eventuell auf diese Weise auch einschlägige Start-up-Initiativen voranzutreiben. Zudem ist ein neues Lehrformat außerhalb des Unterrichtsplans geplant. Dieses Format könnte – motiviert durch die „Fridays for Future“-Bewegung – ein wöchentliches Informationsforum zur „Future Production“ sein, in dem regelmäßig interessante Beiträge online gestellt werden. Themen können CO2-neutrale und systemintegrierte Produktion sowie Ressourcen schonende Fertigungsverfahren umfassen.
Breiter Schulterschluss notwendig für Neudefinition der Produktion
Die produktionstechnischen Forscher wissen, worauf sie sich einlassen. Radikales Umdenken und die Etablierung neuer Lebenswerte heißt auch, dass „viele noch ungelöste Fragen auftauchen werden. Wichtige Probleme werden aktuell nur verschoben, etwa in andere Regionen oder in Folgeproblemstellungen, und wir werden uns beim Nennen der objektiven Fakten sicherlich nicht nur Freunde machen. Nicht zuletzt aus diesem Grund benötigen wir einen möglichst breiten gesellschaftlichen Schulterschluss, wenn wir Produktion neu definieren und auch die Politik überzeugen wollen“, macht Denkena deutlich. Ziel sei daher, nicht nur auf bestehende Initiativen, Strukturen und Fördermöglichkeiten zurückzugreifen, sondern darüber hinaus nach und nach immer mehr Mitstreiter ins Boot zu holen. „Uns geht es auch um eine Signalwirkung und ein klares Commitment, sondern auch gegenüber unseren Kindern, dass wir bereit sind, die Verantwortung, die wir ihnen gegenüber haben, in den Bereichen, in denen wir das Know-how dazu haben, auch zu übernehmen.“
Bild 1: WGP-Frühjahrstagung, (v.l.n.r. Vino Suntharakumaran / IFW; Berend Denkena / Präsident der WGP; Sebastian Stobrawa / IFW; Ferdinand Hollmann / DFG), Quelle: WGP
Bild 2: Prof. Berend Denkena, Präsident der WGP, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover, Quelle: IFW Hannover
Bild 3: Wolfram Volk, Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen (utg) der TU München, Quelle: utg München
Bild 4: WGP-Logo, Quelle: Nico Niemeyer / WGP
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Bildquelle: Gerda Kneifel / WGP