Forschende des Projekts DC|hyPASim (v.l.n.r. Benjamin Gutwald, Martin Barth, Eva Russwurm) | Quelle: FAPS Erlangen

In Gleichstromnetzen kann im Vergleich zu den gängigen Wechselstromnetzen ein Fünftel der Energie eingespart werden. Materialeinsparungen liegen sogar bei 40%. Das Erlanger WGP-Institut FAPS entwickelt ein Werkzeug für Unternehmen, die Gleichstromnetze einsetzen wollen.

 

Dezember 2022 – Bislang funktioniert unsere Stromversorgung meist über Wechselstromnetze (AC). Allerdings haben Gleichstromnetze (DC) vielfältige Vorteile, die Unternehmen einen weitreichenden Nutzen bringen können. Insbesondere ergeben sich durch den Einsatz der Gleichstromnetze signifikante Einsparungen von CO2. Beispielsweise kann die natürliche Fluktuation erneuerbarer Energiequellen beherrscht, Investitionskosten durch die Elimination von Netzteilen und Stromrichtern reduziert und Wandlungsverluste minimiert werden. Bei Ausnutzung der Technologievorteile, wie beispielsweise dem Austausch von Bremsenergie im Mehrmotorenverbund, vereint mit einer passenden Bauteildimensionierung, sind Energieeinsparungen bis zu 20% gegenüber konventionellen Netzstrukturen möglich. Die Einsparung an Kupfer und Isolationsmaterial kann mit ca. 40% veranschlagt werden.

 

Ein Demonstrator wird effiziente Nutzung zeigen

Jedoch gehen mit der Umsetzung von Gleichstromnetzen auch Herausforderungen einher. Eine unzureichende Planung kann zur Folge haben, dass die Technologievorteile nicht vollständig ausgeschöpft und eine Wirtschaftlichkeit nicht realisiert werden kann. Insbesondere bei der Komponentenauswahl und der Kopplung an das Wechselstromnetz können Probleme auftreten.

Diese Chancen und Herausforderungen führen zu verschiedenen Fragestellungen: Wie kann das volle Potenzial ausgeschöpft werden? Wann ist der Umbau auf Gleichstrom wirtschaftlich? Wie ist eine effiziente Kopplung an das Wechselstromnetz realisierbar? Welche Sicherheitskonzepte sind zu beachten und wie können die Netze besser geplant werden?

Das Projekt „DC|hyPASim“ mit über 30 Industriepartnern – welches Sieger der AiF Großprojektausschreibung „Leittechnologien für die Energiewende“ wurde – befasst sich mit diesen Fragestellungen und gibt Hilfestellungen bei der technischen sowie wirtschaftlichen Planung von Gleichstromnetzen. Es zielt darauf ab, Energieeinsparpotenzial zu identifizieren und nutzbar zu machen. Über drei Jahre hinweg prüfen die Forschenden der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik am FAPS (siehe Abbildung 1), wie Gleichstromabzweige energie- und kosteneffizient an industrielle Netze angeschlossen werden können. Dafür werden digitale Modelle entwickelt und genutzt. Anfang 2025 sollen eine digitale Planungslandschaft sowie ein Demonstrator zur Verfügung stehen.

 

Werkzeug für die praktische Anwendung

Grundlage für die „Digitale Planung und Simulation hybrider AC/DC-Energienetze in automatisierten Produktionsanlagen“ – so der Name des Forschungsprojekts – bieten der Digitale Zwilling sowie die Kopplung zwischen der Simulation des Gleichstromnetzes und der Produktionsanlage. Durch das entstehende Werkzeug sollen Unternehmen befähigt werden, Gleichstromnetze für ihre Fertigung zu planen, auszulegen und zu analysieren. Individuell berechnete wirtschaftliche und technische Kennzahlen helfen, Investmententscheidungen zu treffen sowie Netz- und Schutzkomponenten optimal auszulegen (siehe Bild 1).

Übersicht der Simulationsarchitektur des Energienetzes | Quelle: FAPS Erlangen

Bild 1: Übersicht der Simulationsarchitektur des Energienetzes | Quelle: FAPS Erlangen

 

Erprobung anhand eines realen Hardware-Demonstrators

Um das zukunftsträchtige Konzept der CO2-neutralen Produktion auch praktisch zu demonstrieren, entsteht innerhalb der nächsten zwei Jahre eine automatisierte Produktionszelle, welche Verbraucher, Erzeuger und Speicher über ein Gleichstromnetz koppelt. Erzeuger sind in diesem Fall regenerative Energiequellen, basierend auf Sonnen- und Windenergie. Speicher treten in Form von Batterien und Hochleistungskondensatoren auf und Verbraucher sind gleichstromfähige industrietypische Anlagen sowie die Ladearchitektur von Elektrofahrzeugen.

Der reale Hardware-Demonstrator fungiert als Double zum Digitalen Zwilling und als Validierungsobjekt für die Simulation. Zeitgleich ermöglicht die Simulation während des Entstehungsprozesses des Demonstrators die optimale und sichere Auslegung von Komponenten sowie das Auffinden möglicher Fehlerquellen durch eine virtuelle Inbetriebnahme.

 

Geringeres wirtschaftliches Risiko für Unternehmen

Das wirtschaftliche Risiko für Unternehmen wird durch den Verzicht auf eine teure Hardware-Umsetzung deutlich verringert. Außerdem können Fehler vermieden sowie Prozesse und Komponenten optimal ausgelegt werden – zum Beispiel bei den Schutzkomponenten und dem Energiemanagement der Produktionsanlage.

Des Weiteren können Unternehmen, die die Forschungsergebnisse in Zukunft nutzen wollen, durch die nachträglich installierten Gleichstromnetze nicht nur die Stromkosten verringern, sondern auch einen Beitrag zur Energiewende leisten. Nicht zuletzt erhalten sie technische Unterstützung, sowie einen Planungsleitfaden zum Ergebnistransfer und die Möglichkeit ihre Gleichstromkomponenten zu testen.

 

Ausblick

Im Projekt DC|hyPASim werden das Planungstool sowie der Hardware-Demonstrator aus den Prototypen und Produktentwicklungen der teilnehmenden Unternehmen und Forschungseinrichtungen entwickelt. Um eine nachhaltige und gemeinsam abgestimmte Ausrichtung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten mit anderen Vorhaben zu gewährleisten, ist der Lehrstuhl FAPS (stellvertretend für die FAU Erlangen-Nürnberg) Gründungsmitglied der Open Direct Current Alliance (ODCA). In dieser vom ZVEI e.V. (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.) gegründeten Arbeitsgemeinschaft werden gebündelte Erfahrungen zur Entwicklung von Regelwerken und Standards in einem Gleichstromökosystem und der Gleichstromtechnik eingesetzt.

 

 

Beitragsbild: FAPS-Forschende des Projekts DC|hyPASim (v.l.n.r. Benjamin Gutwald, Martin Barth, Eva Russwurm) | Quelle: FAPS/Russwurm


Weitere Informationen

DC|hyPASim: https://bit.ly/3UV2Q8P

 

Förderer

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)
AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V.

 

Ansprechpartner

Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

Prof. Jörg Franke
Tel.: +49 9131 85-27569
E-Mail: joerg.franke@faps.fau.de

Benjamin Gutwald
Tel.: +49 9131 85-28997
E-Mail: benjamin.gutwald@faps.fau.de

Martin Barth
Tel.: +49 9131 85-28994
E-Mail: martin.barth@faps.fau.de


Downloads:

Beitragsbild:

NFAPS-Forschende des Projekts DC|hyPASim (v.l.n.r. Benjamin Gutwald, Martin Barth, Eva Russwurm) | Quelle: FAPS/Russwurm

Bild1:

Übersicht der Simulationsarchitektur des Energienetzes | Quelle: FAPS Erlangen

 

Schulung in Produktionsplanung- und steuerung
Mehr Informationen zur Industrie 4.0 in Produktion