Konventionelle Tiefziehvorrichtung zur Umformung der Mehrkomponentenfolie als Pouchzell-Gehäuse (Quelle: Battery LabFactory Braunschweig)

Um der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es leistungsfähigere und gleichzeitig günstigere Lithium-Ionen-Batterien. Neue Batteriematerialien schaffen deutliche Verbesserungen. Forschende der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik passen hierfür die Batteriezell- und systemarchitektur an.

 

Juni 2022 – Das Lithium-Ionen-Batteriesystem gilt als kritischer Faktor für die Durchsetzung von E-Fahrzeugen, denn es bestimmt maßgeblich elementare Fahrzeugeigenschaften wie Kosten, Reichweite und Schnellladefähigkeit.

 

Druckschwankungen verkürzen die Lebensdauer der Batterie

Der Kern des Batteriesystems ist die Batteriezelle, in der ein gesteuerter Ionenaustausch zwischen zwei verschiedenen Elektroden zum Transport von Elektronen eingesetzt und damit zur Energiespeicherung genutzt wird.

Lithium-Ionen-Batteriezellen zeichnen sich durch hohe Speicherkapazitäten sowie gute massen- und volumenspezifische Energie- und Leistungsdichten aus. Das macht sie zu vielversprechenden Energiespeichern für mobile Anwendungen. Die spezifische Energiedichte kann jedoch noch gesteigert werden, wenn Hochenergieelektroden wie zum Beispiel Silizium-Komposit- oder Lithium-Metall-Elektroden verwendet werden. Denn sowohl Silizium als auch Lithium weisen im Vergleich zu herkömmlichen Elektrodenmaterialien geringere Massen und Volumina bei gleichzeitig höherer Kapazität auf.

Diesem Vorteil stehen jedoch zahlreiche Herausforderungen gegenüber, die die Lebensdauer der Hochenergieelektroden beeinträchtigen. Unter anderem kommt es bei der zyklischen Ladung und Entladung der Batteriezellen durch die damit verbundene Ein- und Auslagerung der Ionen zu starken Volumenänderungen der Elektroden, die in Dickenänderungen der Batteriezellen resultieren. Diese Dickenänderungen, die auf Basis von Berechnungen für prognostizierte Elektrodenmaterialien bis zu 20 Prozent der Zelldicke betragen können, verursachen starke Druckschwankungen innerhalb der Batteriezelle und des gesamten Batteriesystems. Hieraus entstehende Beschädigungen der Elektrodenmaterialien sowie des Batteriezell- und systemgehäuses führen zu einer starken Verkürzung der Lebensdauer. Um die schädigenden Volumen- und Druckänderungen zu kompensieren, müssen die Batteriezell- und systemarchitektur angepasst werden.

 

Angeschlossene Pouchzelle (Quelle: Battery LabFactory Braunschweig)  | IWF Braunschweig

Bild 1: Angeschlossene Pouchzelle | Quelle: Battery LabFactory Braunschweig

 

Eine Lösung für Pouchzellen

Im Projekt KoDI (Kompensation von Druckschwankungen im Inneren von Batteriezellen) werden am WGP-Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der Technischen Universität Braunschweig verschiedene Kompensationsmechanismen zur Aufnahme der Druck- und Volumenänderungen entwickelt. „Wir legen unseren Fokus auf die industriell etablierten Pouchzellen, die zu vollständigen Batteriesystemen aneinandergereiht werden“, erläutert der Projektleiter Jonas Schwieger. „Das Pouchzell-Gehäuse besteht aus einer dünnen Mehrkomponentenfolie, die eine Aluminiumdampfsperre und schützende Kunststoffschichten enthält. Die Mehrkomponentenfolie ermöglicht ein gewichtsarmes Gehäuse mit gleichzeitig guten Wärmeleitungseigenschaften. Diese Vorteile wollen wir auch beibehalten, wenn wir Kompensationsmechanismen einbringen.“ Zusätzlich muss das Volumen dieser Mechanismen geringgehalten werden, um die mit den Hochenergieelektroden angestrebte Steigerung der Energiedichte zu erreichen.

Prototypen von Pouchzell-Gehäusen mit Kompensationsmechanismus aus komplexen Konturen (Quelle: IWF, TU Braunschweig) | IWF Braunschweig

Bild 2: Prototypen von Pouchzell-Gehäusen mit Kompensationsmechanismus aus komplexen Konturen | Quelle: IWF Braunschweig

 

Ausgleich der Druckschwankungen

Für die Kompensation kommen sowohl aktive als auch passive Mechanismen infrage. Beispielsweise können aktive Druckballons in die Batteriezelle eingebracht oder passiv nachgiebige Gehäusestrukturen aufgetragen werden. Wie stabil und wirksam die Mechanismen sind, überprüfen die Forschenden derzeit in verschiedenen Prüfszenarien. Diese Szenarien umfassen Druck- und Zugversuche sowie Prüfungen der chemischen Beständigkeit der Mechanismen und Dichtheitsprüfungen von Batteriezellen mit eingebrachten Mechanismen. Zudem werden konventionelle Batteriezellfertigungsverfahren den neuen Erfordernissen angepasst, die dann für die Herstellung des 2023 geplanten Prototypen eingesetzt werden. Hierfür werden in numerischen Simulationen und realen Versuchsaufbauten beispielsweise komplexe Tiefziehprozesse zur beschädigungsfreien Umformung der Mehrkomponentenfolie für das Pouchzell-Gehäuse erforscht. Ist ein hinsichtlich Wirksamkeit und Herstellbarkeit favorisiertes Gesamtkonzept identifiziert, werden die adaptierten Fertigungsverfahren in Form von Demonstratoren aufgebaut. 

 

Industrialisierung im Blick

Ein abschließendes Industrialisierungskonzept ermöglicht die Identifikation von Skaleneffekten für die Übertragung in eine industrielle Großserienfertigung sowie eine technisch-wirtschaftliche Bewertung der entwickelten Kompensationsmechanismen. Im Ergebnis erhoffen sich die Forschenden der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik, einen elementaren Beitrag zur Realisierung zukünftiger Batteriezellen und systeme mit hoher Energiedichte leisten zu können und damit der Elektromobilität einen weiteren Schub zu verleihen.

Beitragsbild: Konventionelle Tiefziehvorrichtung zur Umformung der Mehrkomponentenfolie als Pouchzell-Gehäuse | Quelle: Battery LabFactory Braunschweig


Weitere Informationen

E|ProFil:
www.tu-braunschweig.de/iwf/fup/mofa/forschungsprojekte/kodi

Förderer

Das Vorhaben KoDI (2021-2024) wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen (03XP0399) gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin/beim Autor. Projektträger ist der Projektträger Jülich.

Bundesministerium für Bildung und ForschungProjektträger Jülich Forschungszentrum Jülich

Ansprechpartner

Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik
TU Braunschweig

Prof. Klaus Dröder
Institutsleitung Fertigungstechnologien & Prozessautomatisierung
Tel.: +49 531 391 7600
E-Mail: k.droeder@tu-braunschweig.de

Jonas Schwieger
Abteilung Montage und Fertigungsautomatisierung
Projektleiter KoDI
Tel.: +49 531 391 7664
E-Mail: j.schwieger@tu-braunschweig.de

 


Downloads:

Beitragsbild:

Konventionelle Tiefziehvorrichtung zur Umformung der Mehrkomponentenfolie als Pouchzell-Gehäuse | Quelle: Battery LabFactory Braunschweig

Bild 1:

Angeschlossene Pouchzelle | Quelle: Battery LabFactory Braunschweig

Bild 2:

Prototypen von Pouchzell-Gehäusen mit Kompensationsmechanismus aus komplexen Konturen | Quelle: IWF Braunschweig

 

Seminar zur Produktion von E-Antrieben
Mehr Informationen zu Herausforderungen der Elektromobilität