Parameterstudie zum Laserpulverauftragsschweißen | Quelle: LFT Erlangen

50 Prozent weniger Material und Tausende Tonnen CO2-Einsparungen – das könnte ein neues hybrides Verfahren bringen, das Blechumformung mit additiver Fertigung kombiniert.

 

Dezember 2021 – Vor etwa einem Jahr startete in Erlangen das Verbundvorhaben „HyConnect – Ressourcenminimale Fertigung durch hybride und hochvernetzte Prozesse“, in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zweier WGP-Institute mit vier industriellen Partnern zusammengetan haben. Ihr Ziel: Den enormen Nachhaltigkeitswert hybrider Prozesse aufzuzeigen. Als Anwendungsbeispiel haben die Forschenden die Produktion von Laufhülsen gewählt. „Wenn wir die bisherigen energieintensiven Fertigungsprozesse ersetzen durch eine Prozesskette, die umformtechnische mit additiver Fertigungsverfahren miteinander  verknüpft, rechnen wir in unserem Fall mit Materialeinsparungen von rund 50 Prozent”, berichtet Prof. Marion Merklein. „Daneben denken wir, mit dem neuen Verfahren bei einer Stückzahl von 500.000 knapp 2.000 Tonnen CO2 einsparen zu können.” Als Demonstrator dient die Fertigung einer Laufhülse mittels kombiniertem Laserpulverauftragsschweißen (LPAS) und Tiefziehen. Parallel dazu entwickeln die Forschenden eine Plattform für den unternehmensübergreifenden Austausch und die Analyse von Produktionsdaten.

Die Projektleitung trägt hierbei der in der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) vertretene Lehrstuhl für Fertigungstechnologie (LFT) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), geleitet von Prof. Marion Merklein. Mit dem FAU-Lehrstuhl für Photonische Technologien (LPT) von Prof. Michael Schmidt ist ein weiteres WGP-Institut im Boot. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

 

Neues Verfahren zur Ressourcenminimierung

Mit Hilfe der Umformtechnik lassen sich Bauteile bei kurzen Zykluszeiten in großen Stückzahlen herstellen. Gut reproduzierbare Bauteileigenschaften und hohe Materialeffizienz stehen jedoch den hohen Werkzeug-Investitionskosten und der geringen Flexibilität der geometrischen Gestaltung gegenüber. Auch die additive Fertigung gilt als ressourceneffizient. Durch den werkzeuglosen Ansatz können kostengünstige Kleinserien und Teile mit hoher geometrischer Komplexität hergestellt werden. Die als hybride Fertigung bezeichnete Kombination aus Blechumformung und additiver Fertigung beherbergt somit großes Potenzial und soll die Vorteile beider Verfahrensklassen synergetisch kombinieren. 

Bei HyConnect richten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der WGP gemeinsam mit den Industriepartnern ihr Augenmerk auf die gegenseitige Beeinflussung der Prozesse innerhalb der Prozesskette sowie die Reihenfolge und Wechselwirkungen der Prozesse. Denn in dem hybriden Verfahren kommen Blechhalbzeuge mit chargenspezifischen Eigenschaften zum Einsatz, die sich wiederum auf alle weiteren Verarbeitungsschritte wie beispielsweise auf den Verzug der beim Laserpulverauftragsschweißen entsteht, aber auch auf das Ergebnis der Umformung wie beispielsweise die Maßhaltigkeit der Bauteile auswirken können. Mit Hilfe der Verbundpartner Schaeffler, DEW, Trumpf und d-fine untersucht das Forschungsteam anhand der Laufhülse das Potenzial zur Fertigung mit reduziertem Ressourcenaufwand bei verringertem CO2-Ausstoß und eruiert die optimalen Prozessparameter. Gleichzeitig will es das Prozessverständnis vertiefen.

Bei der konventionellen Prozesskette zur Herstellung derartiger Laufhülsen (siehe Bild 1) wird das Bauteil zunächst aus stabförmigem Vollmaterial gedreht und anschließend im Ganzen wärmebehandelt, um die notwendigen Verschleißeigenschaften und Steifigkeiten zu erzielen. Hierbei wird ein großer Teil des Werkstoffes nicht für das finale Produkt genutzt, bleibt als Spanabfall im Prozess zurück und muss unter zusätzlichem Energieaufwand recycelt werden. Gleichzeitig ergibt sich ein hoher Energiebedarf für die globale Wärmebehandlung.

Das in HyConnect entwickelte Verfahren setzt an diesen Problemstellungen an. Hierzu werden zunächst Ronden aus kaltgewalztem Blech geschnitten, und auf diese im LPAS-Verfahren eine verschleißbeständige Schicht aus Bainidur AM mit einlegierten Kohlenstoff- und Wolframcarbid- Nanopartikeln aufgebracht. Dieser Prozessschritt ersetzt die globale Wärmebehandlung und reduziert somit den Energiebedarf deutlich. Anschließend werden die beschichteten Ronden durch Tiefziehen zu Laufhülsen umgeformt, wodurch eine lange Verarbeitungsdauer und hoher Materialaufwand, wie er etwa bei der spanenden oder rein additiven Fertigung entsteht, vermieden werden können. „Wir möchten bis zum Ende des Projekts im Herbst 2023 eine serienreife Prozesskette geschaffen haben, bei der die Einsparung von 50 Prozent Material und 1.850 Tonnen CO2-Einsparungen bei Herstellung von 500.000 Laufhülsen validiert sind. Sie soll künftig die konventionelle Prozesskette ersetzen”, blickt Merklein in die Zukunft.

Vergleich der konventionellen mit der hybriden Prozesskette | Quelle: LFT Erlangen

Bild 1: Vergleich der konventionellen mit der hybriden Prozesskette | Quelle: LFT Erlangen

 

Prozessdatenaustausch als Voraussetzung

Aufgrund der zahlreichen Wechselwirkungen von Prozessen innerhalb der hybriden Fertigungskette, spielt die digitale Vernetzung eine entscheidende Rolle. In Kooperation mit der Firma d-fine wurde daher eine Datenaustauschplattform entwickelt. Diese soll nicht nur eine ganzheitliche Abbildung der Prozesskette als sogenannten digitalen Zwilling ermöglichen, sondern auch einen sicheren und effizienten Austausch zwischen den beteiligten Unternehmen gewährleisten. Hierzu steht als Backend neben der Blockchain auch eine klassische Datenbanklösung zur Verfügung. Integrierte Tools zur Konsolidierung unterschiedlicher Datenquellen, aktives Prozessmonitoring und eine automatisierte Datenanalyse verbessern zudem das Prozessverständnis und reduziert die Anzahl fehlerhafter Bauteile, was die Ressourceneffizienz noch einmal steigert. Die Plattform existiert bereits, ist jedoch als work in progress zu verstehen. Ist sie aber erst einmal ausgereift, könnte sie auch Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um sich innerhalb der Wertschöpfungskette zu vernetzen.

 

Beitragsbild: Parameterstudie zum Laserpulverauftragsschweißen | Quelle: LFT Erlangen


Weitere Informationen

http://www.lft.uni-erlangen.de/index.php/de/forschung/projekte?view=projekt&layout=default&id=287

Förderer

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – Technologietransfer-Programm Leichtbau (TTP LB) Förderkennzeichen: 03LB3010

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Ansprechpartner

Lehrstuhl für Fertigungstechnologie
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Marion Merklein
Fachgebietsleiterin
Tel.: +49 9131 / 85-27140
E-Mail: marion.merklein@fau.de

Maximilian Kreß
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel.: +49 9131 / 85-27956
E-Mail: maximilian.kress@fau.de


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Vergleich der konventionellen mit der hybriden Prozesskette | Quelle: LFT Erlangen

 

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