Mitarbeiter am Verschleißprüfstand zur Erforschung des Trockentiefziehens | Quelle: LFT Erlangen

Eine Verkürzung der Prozesskette durch schmierstofffreies Tiefziehen steigert die Wirtschaftlichkeit der Umformprozesse deutlich.

 

Dezember 2021 – Denn ohne Schmierstoffe entfallen sowohl die Kosten für die Tiefziehöle als auch für die Prozessschritte des Schmierstoffauftrags sowie der Bauteilreinigung nach der Umformung. Gleichzeit verbessert sich die Umweltverträglichkeit der Fertigung durch den Wegfall von mineralölbasierten Schmierstoffen sowie Reinigern.

Das Trockentiefziehen wird dennoch in der Industrie nicht allzu häufig eingesetzt, denn die Herausforderung dabei ist die fehlende Trennung des Werkstücks vom Werkzeug durch einen Schmierfilm. Hierdurch steigt die Reibung zwischen beiden, was wiederum Risse in den Bauteilen verursachen kann. Des Weiteren treten Anhaftungen von Werkstückwerkstoff an der Werkzeugoberfläche, der sogenannte adhäsive Verschleiß, auf. Er verschlechtert die Oberflächenqualität der Werkzeuge und begrenzt deren Standmenge. Forschende der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik) haben sich darangemacht, diese Probleme aus dem Weg zu räumen.

 

Modifizierte Werkzeugoberflächen entscheidender Faktor

Die Erlanger Teams um WGP-Professorin Marion Merklein vom LFT (Lehrstuhl für Fertigungstechnologie) und WGP-Professor Michael Schmidt vom LPT (Lehrstuhl für Photonische Technologien) haben sich zum Ziel gesetzt, Reibung und adhäsiven Verschleiß zu verringern. Gemeinsam mit Professor Stephan Tremmel vom Lehrstuhl für Konstruktionslehre und CAD der Universität Bayreuth suchen sie nach maßgeschneiderten Werkzeugoberflächen, die das schmierstofffreie Tiefziehen effizienter machen.

Tatsächlich konnten sie mit speziell für das schmierstofffreie Tiefziehen entwickelten amorphen Kohlenstoffschichten die Reibung im Streifenzugversuch beim Einsatz der Werkstückwerkstoffe DC04, AA5182 sowie AA6014 signifikant verringern. Es zeigte sich, dass sich insbesondere DLC-Schichten (diamond like carbon) ohne metallische Dotierung für das trockene Umformen eignen. Zudem sind die Werkzeugoberflächen nach der Beschichtung zu polieren, um etwaige Droplets, welche als mögliche Ausgangspunkte für adhäsiven Verschleiß wirken, zu entfernen. Beim Verifizieren der Erkenntnisse im Rechtecknapfzug zeigten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass durch die amorphen Kohlenstoffschichten a-C:H und ta-C nicht nur Bauteile ohne Schmierstoff rissfrei herstellbar sind, sondern auch Adhäsion verhindert wird.

 

Verifizierung unter anwendungsnahen Bedingungen

Ein Vorteil des Tiefziehens ist die Möglichkeit zur Produktion großer Losgrößen in kurzen Fertigungszeiten. Die für das schmierstofffreie Tiefziehen entwickelten Werkzeugbeschichtungen müssen sich also für das Abpressen einer hohen Anzahl an Bauteilen eignen. Um die Beständigkeit zu überprüfen, wurde deshalb ein Verschleißprüfstand ausgelegt. Dieser durch eine Schnellläuferpresse angetriebene Prüfstand ermöglicht das automatisierte Tiefziehen von 100 flanschlosen Näpfen pro Minute. Damit eignet er sich, die Beschichtungen unter anwendungsnahen Bedingungen zu testen. Im Versuchsaufbau können die Aktivteile des Werkzeugs ausgetauscht werden, ohne dass das Werkzeug von der Presse abgerüstet werden muss. Zur Verschleißanalyse kann folglich der Zustand der Schichten nach definierten Intervallen durch taktile und optische Analysen überprüft werden. Nicht zuletzt wird der Zustand der Werkzeugoberflächen durch im Werkzeug verbaute Kraftmessdosen in-situ überwacht.

 

Verschleißprüfstand zur Erforschung des schmierstofffreien Tiefziehens für eine hohe Anzahl an Bauteilen | Quelle: LFT Erlangen

Bild 1: Verschleißprüfstand zur Erforschung des schmierstofffreien Tiefziehens für eine hohe Anzahl an Bauteilen | Quelle: LFT Erlangen

 

Neue Schichtsysteme bewähren sich

Dieser neuartige Prüfstand wurde für das schmierstofffreie Abpressen von jeweils 3.000 Bauteilen aus DC04 sowie AA5182 mit a-C:H und ta-C beschichteten Werkzeugen eingesetzt. Im Fall der ta-C-Schicht wurde adhäsiver Verschleiß trotz trockener Umformbedingungen sowohl bei Stahl- als auch Aluminiumlegierungen vollständig verhindert. Bei der a-C:H-Schicht trat nur im Fall des Aluminiumwerkstoffes AA5182 minimale Adhäsion nach 1.000 Bauteilen auf. Zudem wurde die Oberflächenqualität der gefertigten Bauteile im Vergleich zur Umformung ohne Modifikation der Werkzeugoberflächen entscheidend verbessert. Es wurde nachgewiesen, dass die Schichten die Standmenge der Werkzeuge unter trockenen Bedingungen um mindestens den Faktor 15 (DC04) respektive 600 (AA5182) erhöhen sowie die Prozesskette um die Schritte der Beölung und Bauteilreinigung verkürzen. Aufgrund der positiven Ergebnisse ist geplant, die Forschung unter anwendungsnahen Bedingungen fortzuführen und das Trockentiefziehen einer höheren Anzahl an geometrisch anspruchsvolleren Bauteilen zu erforschen.

Topographie der Umformwerkzeuge nach dem schmierstofffreien Tiefziehen unter anwendungsnahen Bedingungen | Quelle: LFT Erlangen

Bild 2: Topographie der Umformwerkzeuge nach dem schmierstofffreien Tiefziehen unter anwendungsnahen Bedingungen | Quelle: LFT Erlangen

 

 

Beitragsbild: Mitarbeiter am Verschleißprüfstand zur Erforschung des Trockentiefziehens | Quelle: LFT Erlangen


Weitere Informationen

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Förderer

Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Unterstützung der Forschung im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1676.

Ansprechpartner

Lehrstuhl für Fertigungstechnologie
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Marion Merklein
Fachgebietsleiterin
Tel: +49 9131/85-27140
E-Mail: marion.merklein@fau.de

Johannes Henneberg
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel: +49 9131/85-28342
E-Mail: johannes.henneberg@fau.de


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Mitarbeiter am Verschleißprüfstand zur Erforschung des Trockentiefziehens | Quelle: LFT Erlangen

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Verschleißprüfstand zur Erforschung des schmierstofffreien Tiefziehens für eine hohe Anzahl an Bauteilen | Quelle: LFT Erlangen

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Topographie der Umformwerkzeuge nach dem schmierstofffreien Tiefziehen unter anwendungsnahen Bedingungen | Quelle: LFT Erlangen

 

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