Mithilfe beschichteter Ballonkatheter lassen sich Arterien weiten. Anders als bei Stents bleiben sie auch geweitet. Bisher wird die Beschichtung manuell durchgeführt. Das soll sich in naher Zukunft ändern – und viele Leben retten.

Juli 2021 – Ein Stechen in der Brust, ein Ziehen im Arm, das Atmen fällt schwer – die häufigen Symptome eines Herzinfarkts sind tief in unser kollektives Bewusstsein gebrannt. Häufig sind Infarkte eine Folge der koronaren Herzkrankheit (KHK), einer Volkskrankheit, die in Deutschland etwa 7 von 100 Frauen und 10 von 100 Männern im Laufe ihres Lebens betrifft.

Stents bergen Risiken

Die Hauptursache der KHK ist eine Verengung der Herzkranzgefäße durch Kalkablagerungen an den Innenwänden der Arterien, die sogenannte Arteriosklerose. Selbst wenn es nicht bis zum Herzinfarkt kommt, leiden die Betroffenen oft unter chronischen Problemen wie Atemnot oder Schmerzen. Denn durch die Verkalkungen kommt es zu Engstellen (Stenosen) in den Gefäßen, durch die das Herz nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden kann.

Hat sich solch eine Verengung erst einmal gebildet, muss sie mechanisch beseitigt werden. Bisher geschieht das meistens in einem minimal-invasiven Eingriff, bei dem ein Ballonkatheter in die verengte Arterie eingeführt wird. Darauf befindet sich eine plastische Stütze, ein sogenannter Stent. Dieser dehnt sich aus, wenn der Ballon aufgeblasen wird, und bleibt dann im geweiteten Zustand im Gefäß zurück. So stützt er die Arterienwände und gewährleistet wieder einen ungestörten Blutfluss.

Wie jeder Fremdkörper bergen auch die in der Arterie verbleibenden Stents Risiken. Das durch die Weitung gereizte Gewebe kann beim Versuch, sich zu regenerieren, eine Schicht um die Stütze herum bilden. So kann sie innerhalb weniger Monate in das Blutgefäß einwachsen. Die so entstehende erneute Verengung des Gefäßabschnitts, genannt Restenose, tritt in etwa einem Drittel aller Stent-Behandlungen auf und erfordert weitere aufwändige Eingriffe. Um dieses Risiko auf etwa zehn Prozent zu senken, können die Stents mit immunsupprimierenden Medikamenten beschichtet werden, die das Zellwachstum mindern. Bei diesem Vorgehen ist eine mögliche Spätfolge aber eine Thrombose.

Ein Ballonkatheter wird operativ eingesetzt. (© BVMed.de) | Quelle Fraunhofer IPK

Ein Ballonkatheter wird operativ eingesetzt. (© BVMed.de) | Quelle Fraunhofer IPK

Ohne Fremdkörper am Herzen

Die medizinische Forschung konzentriert sich deshalb zurzeit auf eine risikoärmere Alternative: Statt der Stents wird der zum Weiten des Gefäßes eingesetzte Ballonkatheter mit den Immunsuppressiva beschichtet. Über die Ballonoberfläche wird der Wirkstoff direkt in die Zellen der Arterienwände eingebracht. Dort verhindert er das Zellwachstum – und somit die erneute Verengung des Blutgefäßes –, ohne dass ein Gegenstand im Körper zurückbleibt.

Um die Sauerstoffversorgung nicht zu lange komplett zu unterbrechen, darf die Aufdehnung nicht länger als 60 Sekunden in Anspruch nehmen. Im Vergleich zu den beschichteten Stents, die einen Wirkstoff über einen längeren Zeitraum freisetzen, müssen die Ballonkatheter ihn deshalb sofort in die Arterienwand übertragen. Um gut in die Zellwände eindringen zu können, muss die Beschichtung so angelegt sein, dass die mikroskopischen Kristalle des Medikaments alle gleichgerichtet nach außen zeigen.

Doch diese sehr speziellen kristallinen Schichten können bislang nur von erfahrenem Personal in Handarbeit auf die Katheter aufgetragen werden – ein extrem aufwändiges und ineffizientes Verfahren, bei dem viel Ausschuss anfällt. Diese Technik stößt bei der massenweisen Produktion der qualitativ anspruchsvollen Medizinprodukte schnell an ihre Grenzen.

Ein Stent auf einem mit Medikamenten beschichteten Ballonkatheter (© InnoRa) | Quelle: Fraunhofer IPK

Ein Stent auf einem mit Medikamenten beschichteten Ballonkatheter (© InnoRa) | Quelle: Fraunhofer IPK

Automatisierte Beschichtung rettet Leben

Ein Team am Fraunhofer IPK in Berlin erforscht deshalb, wie sich das mühsame Verfahren zur Beschichtung von Ballonkathetern automatisieren lässt. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens „Heliko – Automatisierte und prozesssichere Wirkstoffbeschichtung von Ballonkathetern“ wird zur Zeit der Prototyp eines Beschichtungsautomaten entwickelt. Anhand dieses Technologiedemonstrators wollen die Forschenden der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik) zeigen, wie das Verfahren prozesssicher und skalierbar durchgeführt werden kann.

So wollen sie für eine gleichbleibende Qualität und eine insgesamt höhere Wirksamkeit der beschichteten Ballonkatheter sorgen. Denn durch die Automatisierung bisheriger manueller Produktionsschritte können die Kristallstrukturen der Medikamente auf der Ballonoberfläche zuverlässiger ausgebildet werden. Gleichzeitig werden die Herstellungskosten signifikant reduziert.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten eng mit Unternehmen zusammen, die in diesem Bereich Pionierarbeit leisten. Die Firma InnoRa, Berlin, stellt dabei ihr Wissen zur Beschichtung der Ballons zur Verfügung und validiert die erzielten Ergebnisse in eigenen Experimenten. Organical CAD/CAM ebenfalls aus Berlin überführt das entwickelte Beschichtungssystem auf eine Werkzeugmaschine, damit die Ballons im industriellen Maßstab gefertigt werden können.

Der Beschichtungsautomat soll Ende 2022 fertig sein und dann zügig auf den Markt gebracht werden. Dr. Thomas Speck, Geschäftsführer von InnoRa, ist optimistisch: „Wir rechnen als Ergebnis des Projekts mit einer Steigerung des Marktanteils medikamentenbeschichteter Ballonkatheter und der Akzeptanz dieser spezifischen Therapieform gegenüber der konventionellen Stent-Behandlung.“ Zukünftige Patientinnen und Patienten könnten so vor dem Auftreten von Spätthrombosen bewahrt werden.

Beitragsbild: Optische Prüfung eines Ballonkatheters (© BVMed.de) | Quelle: Fraunhofer IPK


Förderer

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Ansprechpartner

Fraunhofer IPK

Prof. Eckart Uhlmann
Institutsleiter Fraunhofer-Institut Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK
Leiter Fachgebiet für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF)
TU Berlin
Tel.: +49 30 39006 100
E-Mail: eckart.uhlmann@ipk.fraunhofer.de

Gregor Dürre
Stellvertretender Abteilungsleiter Mikroproduktionstechnik
Tel.: +49 30 39006 423
E-Mail: gregor.duerre@ipk.fraunhofer.de

Downloads:

Beitragsbild: Optische Prüfung eines Ballonkatheters (© BVMed.de) | Quelle: Fraunhofer IPK
Bild 1: Ein Ballonkatheter wird operativ eingesetzt. (© BVMed.de) | Quelle Fraunhofer IPK
Bild 2: Ein Stent auf einem mit Medikamenten beschichteten Ballonkatheter (© InnoRa) | Quelle: Fraunhofer IPK

 

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