Chemnitzer Forschende bauen einen künstlichen, biomechanisch realistischen Oberschenkelknochen nach, um Hüftoperationen sicherer zu machen. In dieses Modell sind Sensoren integriert, die Brüche vorhersagen.
Juli 2021 – Angehende Ärzte und Ärztinnen trainieren OPs wie das Einsetzen einer Hüftprothese mithilfe von Konchenmodellen. Derzeit stehen dafür lediglich einfache Polyurethanschaum-Knochenmodelle zu Verfügung, welche jedoch keine realistischen mechanischen Eigenschaften aufweisen oder gar spezifische Erkrankungen wie Osteoporose abbilden. Zwar können diese Trainings auch mit Humanpräparaten durchgeführt werden, um ein Gefühl für das Verhalten von Knochen beim Einbringen des Implantats zu erhalten. Diese sind jedoch nur in begrenztem Umfang verfügbar und im Zweifel aufgrund von Begleiterkrankungen der Spender:innen nur bedingt einsetzbar.
Die Ausbildung verbessern
Hinzu kommt, dass gewebeschonende, minimalinvasive Eingriffe zunehmen und immer komplexer werden. Das wiederum erfordert erfahrene, mit den jeweiligen Operationsmethoden sehr gut vertraute Chirurg:innen. Zur Übung solcher komplexen Eingriffe stehen derzeit keine Trainingsmodelle mit hinreichend realistischen Eigenschaften zur Verfügung.
Um das zu ändern, fördert das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus das Projekt ReBoneS des Instituts für Werkzeugmaschinen und Produktionsprozesse (IWP) der TU Chemnitz und des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), Chemnitz.
Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden zunächst die mechanischen Eigenschaften des humanen Oberschenkelknochens bestimmt. Mit geeigneten Fertigungsverfahren und Materialien bildeten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik) diese Eigenschaften dann nach und stellten mittels 3D-Druck ein erstes Knochenmodell für die Hüftoperation her. Dieses Verfahren ist dank verschiedener Druckverfahren und Materialien besonders geeignet, komplexe innenliegende Strukturen effizient zu fertigen.
Dank ReBoneS könnten chirurgische Trainingsmodelle in absehbarer Zeit ein weitaus größeres Maß an Realitätsnähe gewinnen und die medizinische Ausbildung verbessern. Die Forschenden haben zudem Sensoren in das Modell integriert, die Kräfte und Schwingungen erkennen und dem Chirurgen und der Chirurgin rückmelden, wenn beim Einbringen des Implantats der Bruch eines Knochens bevorsteht. Im Training können angehende Mediziner:innen also das haptische Feedback eines Knochens unter verschiedenen Bedingungen erfahren.
Bessere Implantate schneller entwickeln
Darüber hinaus lassen sich Implantate mithilfe solcher Modelle schon während der Entwicklung besser prüfen, sodass Innovationen schneller zugelassen werden können. Künstliche Knochenmodelle, die an spezifische Krankheitsbilder wie Osteoporose angepasste Materialeigenschaften aufweisen, helfen beispielsweise bei der Entwicklung für diese Erkrankung optimierter Implantate. Auch die Anzahl der in der Forschung benötigten Humanpräparate und Versuchstiere könnte durch ReBoneS deutlich reduziert werden.
Wenn in den kommenden Jahren das Modell des Oberschenkelknochens für Forschung und Ausbildung in der chirurgischen Orthopädie genutzt wird, lassen sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse anschließend auf andere chirurgische Disziplinen übertragen. Ein Nachfolgeprojekt jedenfalls ist bereits genehmigt. ReMakeBone hat Modelle für unterschiedliche Belastungsszenarien im Fokus.
Beitragsbild: Mechanische Prüfung humaner Knochenproben | Quelle: ReBoneS
Förderer
Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus SMWK, (SAB FKZ 100334004)
Ansprechpartner
Institut für Werkzeugmaschinen und Produktionsprozesse
Technische Universität Chemnitz
Prof. Welf-Guntram Drossel
Institutsleiter
Tel.: +49 (0)371-531 37472
E-Mail: adaptronik@mb.tu-chemnitz.de
Constanze Neupetsch
Tel.: +49 (0)371 531 31030
E-Mail: constanze.neupetsch@mb.tu-chemnitz.de
Downloads:
Beitragsbild: Mechanische Prüfung humaner Knochenproben | Quelle: ReBoneS
Bild 1: Künstlicher Knochen mit Sensorik in der mechanischen Prüfung | Quelle: ReBoneS
Weiterbildung in mechatronischer Funktionalisierung durch Verfahren des 3D-Drucks Mehr Informationen zu Vorteilen der gedruckten Elektronik