Projektmitglieder beim ersten Verbundtreffen im Januar 2020 | Quelle: Magnus Kandler, wbk

In Zeiten von Homeoffice drängt sich mehr denn je die Frage auf, wie digitales Arbeiten die Zusammenarbeit in produzierenden Unternehmen verändert. Forschende aus Hannover und Karlsruhe entwickeln hierfür neue Führungsinstrumente.

Juni 2020 – Im Zuge der aktuellen COVID-19-Pandemie sind viele Unternehmen gezwungen, sich mit digitalen Interaktionstechnologien auseinanderzusetzen. Derzeit geltende Kontaktbeschränkungen haben zusätzlich dazu geführt, dass Schichtpläne viel flexibler gestaltet werden müssen. Im Forschungsprojekt teamIn entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des wbk (Institut für Produktionstechnik) und IBU (Institut für angewandte Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des IFA (Institut für Fabrikanlagen und Logistik) der Leibniz Universität Hannover bereits seit 2018 ein Leitbild für die Führung und soziale Interaktion im digitalen Zeitalter.

Die Menschen im Blick

Die Digitalisierung wirkt sich immer stärker auf die Produktionssysteme und somit auf die Interaktionen der Mitarbeitenden und Führungskräfte im Unternehmen aus. Insbesondere durch die zunehmende Verfügbarkeit von Echtzeitdaten und den Einsatz neuer intelligenter Technologien werden sich selbst steuernde Produktionsanlagen zunehmend Realität. „Mitarbeitende werden damit in die Lage versetzt, dezentral zu entscheiden und auf diese Weise mehr Steuerungsaufgaben zu übernehmen“, erläutert Magnus Kandler, Projektmitglied von teamIn. „Die Covid-19-Pandemie pusht diese Entwicklung zurzeit enorm.“

„Bisher fokussiert sich die Forschung in diesem Umfeld jedoch auf die technologischen Neuerungen. Die Auswirkungen auf Mitarbeitende und die Führungssysteme sind noch selten berücksichtigt“, berichtet Kandler. Sollen Mitarbeitende in autonomen Produktionsteams dezentrale Entscheidungen treffen oder flexibel über ihre Arbeitsinhalte und ihren Einsatzort entscheiden können, müssen sie jedoch verstehen, wie sich ihr Handeln auf die Produktionsziele auswirkt. Mit Hilfe von Live-Daten aus der Prozesskette und nutzergerechter Visualisierung kann die hierfür notwendige Transparenz und das Wissen für die Mitarbeitenden geschaffen werden. Zeitgleich gilt es, möglichst flache und agile Führungssysteme einzuführen. Führungskräfte hingegen müssen lernen, die Mitarbeitenden im Change-Prozess zu begleiten und Ängste zu nehmen. Sie müssen die Chancen der Digitalisierung vermitteln und aufzeigen, wie dadurch Angestellte flexibler und agiler arbeiten und mehr Kompetenzen entwickeln können.

Zielbild des Forschungsvorhabens teamIn | Quelle: IBU, IFA, wbk

Zielbild des Forschungsvorhabens teamIn | Quelle: IBU, IFA, wbk

Zunächst die Führungsinstrumente bestimmen

Das neue Führungsleitbild, das im Rahmen von teamIn entwickelt wird, soll sowohl dem technologischen Wandel als auch den neuen dezentralen Entscheidungsebenen gerecht werden.

Hierzu definiert und analysiert das Projektteam zuerst bestehende Führungsinstrumente und Anforderungen an neue Instrumente. Neu ist beispielsweise ein auf künstlicher Intelligenz beruhendes Personaleinsatz-Tool für die flexible Gestaltung von Schichtplänen, das die Forschenden derzeit mit einem Unternehmen entwickeln. Auch ein sogenanntes Shopfloor-Board ist dabei, mit dem Mitarbeitende befähigt werden, die Produktion durch eigene Entscheidungen selbst zu steuern. Hierzu sollen spezifische Kennzahlen leichter verständlich dargestellt und letztendlich auch der Arbeitsprozess zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen in einem Team verbessert werden. Sind solche Instrumente erst einmal für ein Unternehmen definiert, sollen bis zum Ende des Projekts 2022 allgemeingültige Schulungsprogramme in den Lernfabriken des wbk und des IFA entwickelt werden.

In einem zweiten Schritt werden die bestehenden und neu entwickelten Führungsinstrumente den einzelnen Kernbereichen des Shopfloor-Managements zugeordnet und mit bestehenden Führungsprinzipien und -stilen verbunden. So entsteht ein neues ganzheitliches Management Modell, welches die Führungsinstrumente kombiniert und mit den entsprechenden Führungsprinzipien vereint, wodurch sich die Einflüsse der Instrumente auf die Komponenten eines Führungssystems darstellen lassen. Mit Hilfe dieser Darstellung können die Instrumente anschließend unternehmensspezifisch ausgewählt und ein neues, modernes Führungssystem gestaltet werden.
Im dritten Teilziel untersucht das Projektteam, wie sich die Digitalisierung auf die Beziehung zwischen Geführten und Führungskräften auswirkt und welche Risiken und Chancen dabei entstehen. „Denn wo bislang die Führungskraft direkt mit den Mitarbeitenden über etwaige Probleme während der Produktion sprechen konnte, treten durch die dezentralen Entscheidungen der Teams die persönlichen Gespräche in den Hintergrund“, gibt Kandler zu bedenken. So sollen für die einzelnen Rollen neue Kompetenzen ermittelt und ebenfalls über ein Weiterbildungsprogramm am KIT und IFA vermittelt werden.

Die Transformation kommt schneller als man denkt

Im vierten Teilziel gestaltet das Projektteam von teamIn einen Transformationsprozess. Damit die Veränderungen, die die Unternehmen im Rahmen des Projektes anstoßen, auch nachhaltig eine positive Wirkung entfalten, werden die Führungskräfte und Mitarbeitende von Beginn an in die Entwicklung des Leitbildes einbezogen.

COVID-19 zeigt aktuell die hohe Relevanz für das Forschungsvorhaben und hat auch rasant die Arbeitsweise im Projekt selbst verändert. Bestehende Workshopkonzepte wurden in kurzer Zeit in digitale Tools überführt, wodurch virtuelle Design-Thinking-Workshops mittlerweile zur Routine geworden sind. Auf diese Weise erprobt und analysiert das Projektteam selbst neue Instrumente und konnte schon viel früher als geplant erste Erkenntnisse aus der digitalen Zusammenarbeit gewinnen. „Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass wir bei virtuellen Workshops besonders auf die zwischenmenschlichen Aspekte achten müssen, wie Mimik und Gestik. Ohne Bildübertragung oder der Verwendung von Emoji zu arbeiten, hat sich aus diesem Grund weniger bewährt“, betont Kandler.

Beitragsbild: Projektmitglieder beim ersten Verbundtreffen im Januar 2020 | Quelle: Magnus Kandler, wbk


Mehr Informationen

teamIn
www.teamin-projekt.de

Förderer

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit” (Förderkennzeichen: 02L18A140) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.

Ansprechpartner

wbk Institut für Produktionstechnik
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Prof. Gisela Lanza
Institutsleitung
Tel.: +49 721 608 44017
E-Mail: gisela.lanza@kit.edu

Magnus Kandler
Projektleiter seitens des wbk
Tel.: +49 1523 9502611
E-Mail: magnus kandler@kit edu

 

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